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Rieds Flavio: "Im Kopf war ich ganz weit weg"

LAOLA1 Foto: ©

Es hätte der nächste Schritt in seiner Karriere sein sollen, als Flavio Dos Santos Dias, kurz Flavio, vergangenen Jänner vom FAC nach Oberösterreich zur SV Ried wechselte. Doch was dann passierte, brachte die Karriere des 22-Jährigen nahe an den Abgrund.

Nach dem Heimaturlaub auf den Kapverden in der Winterpause durfte er das Land nicht mehr verlassen. Ganze acht Monate saß der Rechstfuß anschließend in seiner Heimat fest. 

Mittlerweile hat Flavio die schwere Zeit hinter sich gelassen. Beim Interview mit LAOLA1, vor dem Cupspiel gegen Wiener Neustadt (19:12 Uhr im LIVE-Ticker), im Trainingszentrum der SV Ried spricht er ganz offen über seine Ängste, das lange Warten auf die Ausreise und den österreichischen Winter.

LAOLA1: Flavio, wie geht es dir mittlerweile?

Flavio: Jetzt ganz ok. Es ist alles schon wieder lange her, ich spiele seit zwei Monaten wieder, also es passt schon alles.

LAOLA1: Was war damals genau der Grund, warum dich die Kapverden nicht ausreisen ließen?

Flavio: Das hatte mit dem Pass zu tun, da wurde etwas umgestellt. Ich wusste nicht, dass es die alten Pässe noch gibt. Ich habe mir diesen elektronischen Pass zugelegt, weil ich dachte, dass es nur das gibt. Dort ist es immer sehr schlecht mit Informationen. Es gab ein spezielles Verfahren für Studenten. Die durften ausreisen, weil sie zurück zum Studium mussten. Von diesem Verfahren hat mir aber niemand etwas gesagt, deshalb hat es so lange gedauert.

LAOLA1: Was war das für ein Gefühl, als du plötzlich nicht ausreisen durftest?

Flavio: Das war echt hart. Ab und zu dachte ich wirklich, dass ich nicht mehr weg komme. Es war eine schwere Zeit. Ich hatte Angst, dass Ried nicht mehr länger wartet, mein Kopf war völlig leer, ich konnte nicht mehr trainieren, hatte einfach keine Motivation mehr. Aber Gott sei Dank ist es jetzt vorbei.

LAOLA1: Du hattest Angst, dass Ried das Interesse verliert? Hattest du denn keinen Kontakt mit dem Verein?

Flavio: Doch, schon. Sie haben immer gesagt, dass sie auf mich warten, aber umso länger es gedauert hat, desto mehr Gedanken habe ich mir gemacht - das war nicht gut. Aber Ried stand immer voll hinter mir. Ich habe auch eine Familie in Österreich, die immer geholfen hat, der Manager war auch immer dabei und die waren sehr wichtig, dass ich gesund geblieben bin, weil im Kopf war ich wirklich ab und zu ganz weg.

"Diese Gedanken habe ich auf den Kapverden gelassen"

Flavio über seine Mentaleverfassung

"Ich habe viel erlebt beim FAC, habe die Leute dort sehr lieb. Da bin ich dem Trainer auch sehr dankbar, dass ich dort mein Debüt feiern durfte"

Flavio über seine Beziehung zum FAC

LAOLA1: Was wäre passiert, wenn du noch länger hättest warten müssen?

Flavio: Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn ich noch zwei Monate hätte warten müssen. Vielleicht hätte ich mit Österreich abgeschlossen und versucht, dort zu spielen, aber das wäre vom Kopf her ganz schwer geworden.

LAOLA1: Hat dich diese Erfahrung auch als Mensch verändert?

Flavio: Ich bin ein sehr fröhlicher Mensch, aber in dem Moment ging es mir wirklich schlecht. Aber ich denke, das ist normal, das würde jedem Menschen so gehen. Diese Zeit ist aber vorbei, ich versuche etwas daraus zu lernen und schaue nur nach vorne.

LAOLA1: Du sagst, dass du nur nach vorne schaust. Aber wenn du jetzt wieder nach Hause fliegst?

Flavio: Das ist kein Problem mehr. Ich habe jetzt einen Pass, der fünf Jahre gültig ist, und eine Aufenthaltsgenehmigung für Österreich, die drei Jahre gültig ist.

LAOLOA1: Während den acht Monaten, wie hast du dich da fit gehalten?

Flavio: Der Konditionstrainer hat mir über "WhatsApp" Trainingspläne geschickt. Jeder bekommt für den Urlaub ein Programm, das er selbstständig absolviert. 

LAOLA1: Aber Fußball hast du keinen gespielt?

Flavio: Am Anfang habe ich dort mit einer Mannschaft trainiert. Fußball ist auf den Kapverden die beliebteste Sportart, alle Teamspieler spielen in Europa. Aber es gibt nur Amateurmannschaften und Kunstrasenplätze. Außerdem haben die auch drei Monate Pause. Es gibt auch vereinzelt Personal- und Konditionstrainer. Ich habe es anfangs probiert, aber dann ging es einfach vom Kopf her nicht mehr.

LAOLA1: Jetzt bist du seit etwas mehr als zwei Monaten in Ried. Was ist dein erstes Fazit?

Flavio: Es waren viele neue Eindrücke für mich. Ried ist eigentlich eine Bundesliga-Mannschaft, darum kann man es auch nicht mit dem FAC vergleichen. Ich fühle mich gut und bin wirklich glücklich, in Ried zu sein.

LAOLA1: Wie wurdest du von der Mannschaft aufgenommen?

Flavio: Daran kann ich mich noch ganz genau erinnern. Die waren auf dem Trainingsplatz und als ich gekommen bin, haben alle angefangen ganz laut zu schreien und zu jubeln. Das werde ich nie vergessen. 

LAOLA1: Was ging da in dir vor?

Flavio: Es war unbeschreiblich, nach allem was ich durchgemacht hatte. Die meisten Spieler kannten mich ja nicht persönlich, aber sie haben mir von Beginn an das Gefühl gegeben, als wäre ich jetzt zuhause. Einige Spieler haben mir gleich angeboten, dass sie mir helfen, wenn ich etwas brauche. Das war wirklich toll, wie die Mannschaft reagiert hat, das war sehr wichtig für mich.

LAOLA1: Hast du dann gleich von Beginn an voll mittrainiert?

Flavio: Ich habe schon mit der Mannschaft trainiert, um alle kennenzulernen und auch die Spielweise zu verinnerlichen. Aber meistens habe ich eine Einheit mit dem Team und eine mit dem Konditionstrainer absolviert. Und nach dem Training immer Sonderschichten gemacht.

LAOLA1: Als du kamst, war gerade die Sommervorbereitung vorbei. Wie schwer war es, den Anschluss zu finden?

Flavio: Das ist schon schwer, weil sie viel Kondition gemacht und auch schon eine gewisse Zeit gemeinsam gespielt haben, die kannten sich schon. Ich musste selber schauen wie die Mechanismen funktionieren. Aber jetzt ist es viel besser.

LAOLA1: Und auch vom Kopf her, bist du jetzt bereit für Fußball?

Flavio: Ja, meinem Kopf geht es gut, es ist fast alles ok. Seit ich wieder in Österreich bin, ist es wieder besser. Diese Gedanken habe ich auf den Kapverden gelassen.

LAOLA1: Kommen wir zum Sportlichen. Wie zufrieden bist du mit deinen Spielen bei den Amateuren?

Flavio: Sehr zufrieden, bei den Amateuren habe ich jetzt immer getroffen. Die Leistungen in der Kampfmannschaft müssen besser werden.

 

LAOLA1: Du musst ein enorm geduldiger Mensch sein.

Flavio: Wieso?

LAOLA1: Du hast acht Monate auf den Kapverden festgesessen und jetzt musst du wieder Geduld haben, bis du in der Kampfmannschaft ankommst. Für einen 22-Jährigen ist das sicher nicht leicht.

Flavio: Es ist nicht schwer zu akzeptieren, weil ich wirklich lange weg war. Im Fußball geht es oft schnell, ich muss nur einmal auf das richtige Level kommen und dann wird alles gut. Es ist natürlich immer schwer, sich an ein neues System zu gewöhnen, aber dann wird es schon. 

LAOLA1: Was sind deine Stärken, die der Rieder Mannschaft aktuell vielleicht fehlen?

Flavio: Vielleicht meine Schnelligkeit und Technik. Aber ich fühle mich noch nicht so beweglich. Für mein Spiel brauche ich das Eins-gegen-Eins, aber momentan fehlen noch ein paar Prozent, um selbstbewusst in diese Duelle zu gehen.

LAOLA1: Wann kannst du in der Kampfmannschaft so richtig durchstarten?

Flavio: Das kann ich nicht genau sagen. Ich fühle mich auf jeden Fall fit. Besonders wichtig für mich wird aber die Vorbereitung im Winter, die ich zum ersten Mal komplett mit der Mannschaft machen kann. Dann wird es bestimmt im neuen Jahr viel besser.

LAOLA1: Winter ist ja für dich so ein Thema.

Flavio: Ja, ich mag den Winter wirklich gar nicht, es ist so kalt. Wenn du zuhause bist, ist es eh wurscht, aber wenn du trainieren oder spielen sollst, ist es mir einfach immer kalt. Besonders an den Händen und Füßen.

LAOLA1: Ausgerechnet zu der Zeit musst du im Training Vollgas geben.

Flavio: Das werde ich auch. Es wird eine ganz wichtige Phase für mich. Es ist eine neue Vorbereitung und für mich die Möglichkeit, endlich eine lange Zeit intensiv mit der Mannschaft zu arbeiten.

LAOLA1: Spürst du mittlerweile Druck im Verein, dass es jetzt Zeit wird, dass du in der ersten Mannschaft ankommst?

Flavio: Den Druck mache ich mir selber, weil ich jetzt endlich in die Verfassung kommen und mich aufdrängen möchte. Ich bin hier, um für die Kampfmannschaft zu spielen und nicht für die Amateure. Es ist ja klar, dass ich, als ich nicht ganz fit war, in der zweiten Mannschaft Spielpraxis sammle, aber jetzt will ich so viele Spiele wie möglich in der 2. Liga machen.

LAOLA1: Aber von außen kommt kein Druck?

Flavio: Ein paar Fans sind vielleicht schon ungeduldig. Einige haben auch schon mit mir gesprochen. Aber die wissen alle, dass ich sehr lange nicht gespielt habe. Das ist also kein Druck.

LAOLA1: Dein Debüt für Ried hast du ausgerechnet gegen den FAC gefeiert, was war das für ein Gefühl?

Flavio: Das war ein sehr tolles Gefühl. Ich habe viel erlebt beim FAC, habe die Leute dort sehr lieb. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich gleich von Anfang an spiele, weil man schon sagen muss, dass ich davor nicht oft trainiert hatte. Aber beim FAC zu spielen, das war wirklich gut, da bin ich dem Trainer auch sehr dankbar, dass er mir ausgerechnet gegen meinen Ex-Klub mein Debüt ermöglicht hat.

LAOLA1: War dann das Spiel gegen den FAC der Moment, wo du wusstest, dass die schlimme Zeit endgültig hinter dir liegt?

Flavio: Auf jeden Fall. Wenn du auf dem Platz stehst, dann vergisst man sowieso alles. Da denke ich an gar nichts. Auf dem Platz stehen, egal ob Training oder Spiel, ist für mich einfach das Größte. 

LAOLA1: Was wäre passiert, wenn du gegen den FAC ein Tor geschossen hättest?

Flavio: Ich hätte sicher nicht gejubelt, das ist Ehrensache. Ich habe vor dem Spiel sogar daran gedacht und es wäre schon schön gewesen, ein Tor zu schießen. Nicht, weil es gegen den FAC gewesen wäre, sondern, weil nie falsch ist, im ersten Spiel gleich ein Tor zu machen.

LAOLA1: Beim FAC hast du noch in der alten "Erste Liga" gespielt. Jetzt mit Ried in der neuen 2. Liga. Ist die Liga durch die Amateurteams schwächer geworden?

Flavio: Das glaube ich nicht, es kann sogar sein, dass es noch ein wenig schwieriger ist. Wenn du gegen Amateurteams spielst, die nur verteidigen, ist es noch schwerer für die Mannschaften, die Fußball spielen wollen. Der FAC zum Beispiel gehört jetzt zu den Mannschaften, die Fußball spielen, die stehen nicht mehr nur hinten und ich finde, das machen sie schon gut.

LAOLA1: Sind Kampfgeist und Wille also jetzt mehr wert als individuelle Klasse?

Flavio: Zu einem gewissen Teil ist es wirklich so. Ich glaube, dass man die Liga gegen die schwächeren Teams gewinnt. Das sind immer die schwersten Spiele, deshalb sind sie enorm wichtig. Die Spiele gegen die hinteren Klubs der Tabelle musst du gewinnen, um am Ende erfolgreich zu sein.

LAOLA1: Wird Ried aufsteigen?

Flavio: Wir wollen natürlich alle in die Bundesliga. Es wäre schön, wenn wir es heuer schon schaffen würden.

LAOLA1: Für die Fans war der Nicht-Aufstieg fast so etwas wie der zweite Abstieg in Folge. Wie geht man mit dieser Erwartungshaltung um?

Flavio: Es ist doch klar, dass die Fans von uns den Aufstieg erwarten. Wie gesagt, Ried ist eigentlich eine Bundesliga-Mannschaft und das erwarten auch die Fans. Aber nicht falsch verstehen, unsere Fans sind klasse. Sie unterstützen uns auch, wenn wir verlieren. Ich glaube, sie wissen, dass man nicht immer jedes Spiel gewinnen kann. Was sie aber von uns verlangen, ist Einsatz. Sie wollen sehen, dass wir uns reinhauen. 

LAOLA1: Zum Abschluss: Wann geht es wieder nach Hause?

Flavio: Ich hoffe, jetzt im Dezember.

LAOLA1: Nach deiner Erfahrung, willst du überhaupt so schnell zurück auf die Kapverden?

Flavio: Ja klar, meine ganze Familie ist dort. Egal, was passiert, es ist mir wichtig, so oft wie möglich bei meiner Familie zu sein. Das Problem ist gelöst, deshalb kann ich ohne Probleme nach Hause fliegen und einreisen.

LAOLA1: Also kommst du im Jänner zurück?

Flavio: Auf alle Fälle.

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