Denn eigentlich ist der SCR ja auf einem guten Weg, die Entwicklung zeigt nach oben und der nächste Titel ist nur eine Frage der Zeit - aber nur, wenn man den Wunschvorstellungen und gebetsmühlenartig wiederholten Ausreden der Verantwortlichen Glauben schenkt.
Das Weiterwurschteln in Grün-Weiß wird somit unaufhaltsam seine Fortsetzung finden, denn obwohl von vielen Seiten - auch intern - der Finger in die Wunde gelegt wird, spielt der Verein auf unversehrt und unverletzt.
Hohn und Spott statt Top 50 Europas
Und das seit Ewigkeiten! "Wir sind Rapid" lautet der Schlachtruf, die Außendarstellung geht in die Richtung "Uns kann keiner was". Nach dem Untergang gegen Vaduz skandierten aber nur die aufgebrachten Hardcore-Fans "Wir sind Rapid und wer seid ihr?" - und das in Richtung eigener VIP-Tribüne, wo sich die Entscheidungsträger in ihre Loge zurückzogen.
Eigentlich sollte Rapid schon seit drei Jahren zu den Top 50 Europas zählen. So lautete der Plan von Ex-Präsident Michael Krammer, den er bei seiner Vorstellung im November 2013 lauthals den erwartungsvollen Mitgliedern und Supportern entgegenwarf.
Damals rangierten die Hütteldorfer auf Platz 105 der UEFA-Rangliste. Zwischenzeitlich gelangen ambitionierte Sprünge nach oben, doch die Realität spuckt Rapid aktuell an der 96. Stelle aus. Von einer deutlichen Verbesserung in den vergangenen knapp neun Jahren zu sprechen, wäre ein Hohn. Und Hohn und Spott wird den Wienern in der aktuellen Situation mit Sicherheit nicht erspart bleiben. Zu desaströs ist das Scheitern gegen den Vorletzten der 2. Schweizer Liga, der erstmals überhaupt ein Europacup-Playoff und nun sogar eine Gruppenphase erreichte - und das noch dazu absolut verdient.
Das Weiterkommen der Liechtensteiner gegen Konyaspor hätte Rapid Warnung genug sein sollen. Indes war zumindest in drei von vier Halbzeiten gegen den Fußball-Zwerg kein Klassenunterschied zu erkennen - weil beim SCR hinten und vorne nichts zusammenpasst.
Von Weiterentwicklung keine Spur
Trotz intensiver Vorbereitung, neuen Möglichkeiten und einem aufgeblasenen Kader konnte kein einziger Spieler nur annähernd an seine Leistungsgrenze gehen. Die Einstellung in einem so richtungsweisenden und für den Verein wichtigen Millionenspiel? Katastrophal.
Ein genauer Plan? Nicht ersichtlich. Automatismen sowie spielerische Linie und individuelle Geistesblitze? Fehlanzeige. Wer erkannt hat, auf welche Art und Weise Rapid seinem auf dem Papier unterlegenen Gegner die Grenzen aufzeigen wollte, der hebe die Hand. Von Weiterentwicklung keine Spur.
Und das, obwohl nach dem Hinspiel endlich einmal Selbstkritik an der Tagesordnung stand, vom teils schlechtesten Spiel seit Ewigkeiten die Rede war und einmal nicht die Doppelbelastung oder Schiedsrichter-Entscheidungen für die Niederlage herhalten mussten.
"Choreo abgesagt - Wiedergutmachung gefordert", hielt der Block West auf einem Transparent fest. Trotzdem kamen 15.100 Zuschauer, um Augenzeugen dieser Wiedergutmachung zu werden. Doch am Ende war in ihren Augen nur pure Enttäuschung, Verzweiflung und Hass.
Liegt es am Trainer?
Weil sie wussten, dass eine weitere Chance dahin ist. So viele Möglichkeiten wie aktuell hatte Rapid schon seit langer, langer Zeit nicht mehr im Kader. Dass zehn Neuzugänge eine Eingewöhnungszeit benötigen, steht außer Frage, auch dass der SCR zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nicht bei hundert Prozent sein kann.
Ohne Europacup besteht nun aber die Gefahr, dass der eine oder andere Leistungsträger doch noch Reißaus nimmt, allen voran Marco Grüll oder Yusuf Demir, obwohl auch diese für ihre Möglichkeiten bisher sehr blass blieben. Emanuel Aiwu war bei der erstbesten Möglichkeit weg, möglicherweise hatte er schon eine gewisse Vorahnung.
Liegt es am Trainer? Natürlich trifft Ferdinand Feldhofer eine gewisse Teilschuld, doch der Steirer ist als akribischer Arbeiter bekannt, hat klare Vorstellungen - auch wenn diese scheinbar (noch) nicht kontinuierlich umgesetzt werden können - und hat seine Aufgabe bei den Grün-Weißen angetreten, als der großangekündigte Umbruch längst beschlossene Sache war. Geduld wollten die Verantwortlichen walten lassen, Rückschläge waren vorprogrammiert - mit Sicherheit aber nicht in dieser Tragweite.
Worauf ich hinaus will? Zweifelsohne wird in Wien-Hütteldorf von diversen Seiten sofort eine Trainerdiskussion angestoßen. So wie es immer ist, wenn etwas schiefgeht. Der Coach als schwächstes Glied, die ewige Leier. Über die Folgen jammern die Grün-Weißen dann erst, wenn es zu spät ist.
Der Fisch fängt am Kopf an zu stinken
Denn nur wenn Rapid gar nichts mehr von seinen Zielvorstellungen hält, ist ein Trainerwechsel zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll. Mit Feldhofer sollte der Umbruch vorangetrieben werden, es wurde nach Jahren des Abwartens eine Durchgängigkeit innerhalb des Klubs forciert.
Sportdirektor Zoran Barisic stellte gemeinsam mit Feldhofer einen neuen Kader zusammen, der mit Sicherheit seine Berechtigung und Qualität hat, bei jedem geholten Spieler sollten Überlegungen dahinterstecken, auch wenn der eine oder andere für Außenstehende vielleicht (noch) nicht der typische Rapid-Spieler ist.
Mit einem neuen Trainer würde schon wieder alles über Bord geworfen werfen, die Zukunftsvorstellungen begraben werden, geholte Spieler womöglich keine Rolle mehr spielen und Ausreden sind auch schon vorgeschrieben. Feldhofers möglicher Nachfolger braucht Zeit, es ist nicht sein Kader, und, und, und.
Es würde genau das passieren, was bei Rapid die letzten Jahre und Jahrzehnte immer schon passiert - 15 Jahre liegt der letzte Titel zurück, um es hier noch einmal zu erwähnen. Und der Tenor dürfte ebenfalls in die Richtung gehen. Denn die Fans forderten vorrangig "Vorstand raus", für sie sind auch die Spieler in der Pflicht, nicht immer nur der Trainer.
Doch wer das moderne Fußballgeschäft kennt, kann sich ausmalen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Feldhofer im Amt bleibt. Der Fisch fängt bekanntlich am Kopf zu stinken an. Und so wird das Weiterwurschteln kein Ende finden, trotz Deja-vu und Bankrotterklärung. Täglich grüßt das Murmeltier!