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Kommentar: Klose? Ein Risiko für alle Beteiligten

Kommentar: Klose? Ein Risiko für alle Beteiligten Foto: © getty

Markus Schopp? Nein.

Martin Stocklasa? Nein.

Heiko Herrlich? Nein.

Miroslav Klose? Ja? JA!

Die Nachricht schlug am Freitagnachmittag wie eine Bombe ein. Miroslav Klose, seines Zeichens Rekordtorschütze bei Fußball-Weltmeisterschaften und langjähriger deutscher Nationalspieler, wird neuer Cheftrainer des SCR Altach (alle Infos >>>).

Dort wird der inzwischen 44-Jährige seine allererste Trainerstation im Profi-Bereich angehen. Das zeigt, dass Altach bei der Suche nach einem neuen Übungsleiter der Erfahrung keinen Wert beigemessen hat.

Heiko Herrlich ist von dieser Annahme freilich ausgeschlossen, dass der ehemalige Bundesliga-Trainer aber im Ländle andocken würde, wäre eine noch größere Sensation als Klose gewesen. Dementsprechend vehement dementierte der 50-jährige Deutsche Gespräche mit dem Beinahe-Absteiger, um womöglich seinen Namen reinzuhalten.

Weder Markus Schopp noch Martin Stocklasa haben große Erfahrung als Klubtrainer angeboten, letzterer ebenso wenig wie Klose – nämlich gar keine. Und das birgt freilich ein gewisses Risiko. Nicht nur für Altach, sondern auch für den Deutsch-Polen.

Das Risiko für Klose

Der ehemalige Weltklassestürmer hat in seiner noch sehr jungen Trainer-Laufbahn nicht viel gesehen – dafür aber von absoluten Top-Trainern Deutschlands gelernt.

Von November 2016 bis Juli 2018 war Klose Co-Trainer von Joachim Löw beim deutschen Fußball-Nationalteam, lernte dort schon die unangenehmen Seiten des Trainerbusiness kennen. Das blamable WM-Aus in Russland erlebte der frühere Bayern-Angreifer von der Seitenlinie aus mit, kurz darauf wechselte er in den Nachwuchs des FC Bayern und betreute die U17 als Cheftrainer.

Zwei Spielzeiten und 35 Siege in 49 Spielen später, wurde Klose neuer Co-Trainer des nunmehrigen Bundestrainers Hansi Flick. Dem Löw-Nachfolger imponierte er mit seiner taktischen Variabilität. Bayerns U17 schickte er sowohl mit Dreier-, Vierer- als auch Fünferkette aufs Feld. Im Sommer 2021 übernahm Flick den Bundestrainer-Job, Klose folgte ihm nicht.

Einerseits, weil er nicht mehr als Co-Trainer arbeiten und sich einen Namen in der Cheftrainer-Szene machen wollte. Andererseits, da ihn zwei Thrombosen im Bein zu einer Auszeit zwangen – und das Cheftrainer-Unterfangen wiederum auf unbestimmte Zeit verschoben.

Interessierten Klubs sagte der Mann aus Opole ab, das Feuer hat er während seiner Leidenszeit aber nicht verloren. In einem Interview im Mai 2021 mit dem "Kicker" war der Ehrgeiz des DFB-Rekordtorschützen deutlich vernehmbar. Damals meinte er, darauf zu brennen, seine Vorstellungen mit einer Mannschaft umzusetzen.

Er wollte den "steinigen Weg wählen" - wie schon so oft in seiner früheren Spieler-Karriere. Über die Bezirks- und Regionalliga kämpfte er sich damals zum 1. FC Kaiserslautern hoch, von dort aus weiter in die große Fußballwelt und zu einem der besten Stürmer in der Historie.

Einen ähnlichen Weg will er auch als Trainer gehen. Mit Altach wählte er einen zierlichen Dorfklub, der mit Ach und Krach in der Bundesliga verblieb. Im Ländle kann sich Klose einen Namen als Heilsbringer machen – oder seinen bislang astreinen Ruf ruinieren. Denn die Situation in Rheindorf ist keineswegs einfach.

Die Trainersuche brachte viel Konfusion mit sich, sowohl Schopp als auch Stocklasa sagten nach langen Verhandlungen schlussendlich ab. Währenddessen startete Sportdirektor Werner Grabherr, dessen bisherige Trainerkarriere eher mau verlief, als Interimscoach die Vorbereitung auf die kommende Spielzeit.

Eine Woche musste die Mannschaft auf ihren neuen Trainer warten, der noch gar keinen Vertrag hat. Denn dieser soll erst am Sonntag unterschrieben werden, Klose ist also eine Notlösung. Dieses Image wird der Deutsche anfangs mit sich tragen müssen, kann er aber mit Saisonstart schleunigst wieder ablegen.

Sein Problem? Aus der grauen Maus wird plötzlich der Hingucker der Liga. Denn ein Name wie Klose bringt natürlich viel Aufmerksamkeit mit sich, die von den Verantwortlichen vielleicht auch bewusst herbeigeführt wurde. Dadurch wächst der Druck auf den ehemaligen Angreifer. Nicht wenige werden sich erwarten, dass er der Offensive viel benötigtes neues Leben einhauchen wird.

Interessant wird zu beobachten sein, welche Spieler nun ihren Weg nach Altach finden werden. Die ersten Neuverpflichtungen, Guy Dahan und Lukas Gugganig, tütete Grabherr noch in Eigenregie ein. Können sie dem Team nicht weiterhelfen, bekommt der Sportdirektor eher Probleme als der Trainer.

Doch der Kader braucht dringend neue Kräfte, denn mit dem Quasi-Vorjahreskader wird Klose wenig ausrichten können. Hier stehen die Bosse in der Pflicht, ihrem neuen Coach unter die Arme zu greifen und dessen Wünsche auch zu erfüllen.

Klose wiederum kann und muss seine Kontakte spielen lassen, den einen oder anderen Spieler aus Deutschland nach Vorarlberg lotsen. Passiert am Spieler-Sektor nicht mehr viel – was ehrlich gesagt verwunderlich wäre – gelten die Altacher als größter Abstiegskandidat. Und hier verbirgt sich das große Risiko.

Es kann für Klose nämlich in alle Richtungen gehen: Einen Abstiegskandidaten zum sicheren Klassenerhalt, vielleicht sogar mit etwas Glück in Richtung Meistergruppe zu führen, würde seiner Trainerkarriere einen mächtigen Boost geben und alle Optionen für die Zukunft offen halten.

Gelingt der Bundesliga-Verbleib ähnlich wie Magnin letzte Saison, hätte Klose ebenfalls nichts verloren, aber auch nicht viel gewonnen. Mit einem Dorfklub ist eben nicht mehr drinnen, würde wohl der Tenor aus Deutschland heißen.

Der Abstieg käme dem Worst-Case-Szenario gleich. Diesen Makel würde er auf Lebzeiten mit sich tragen, viele würden womöglich gar überreagieren und seine Trainerkarriere bereits als gescheitert ansehen. Dem wäre zwar nicht der Fall, seine bestimmt vorhandenen Ambitionen, eines Tages Übungsleiter eines großen internationalen Klubs zu sein, würden jedoch einen gewaltigen Knacks erhalten.

Alles natürlich Zukunftsmusik, aber Möglichkeiten, über die sich auch Klose Gedanken gemacht haben wird bzw. muss.

Das Risiko für Altach

Klose ist für Altach ein Experiment, welches man womöglich gar nicht eingehen wollte.

Bei Schopp und Stocklasa gab es zumindest erste Referenzwerte. Der ehemalige ÖFB-Teamspieler etablierte den TSV Hartberg als souveränes Mittelfeld-Team in der Admiral Bundesliga, führte die Oststeirer sogar in die Europacup-Qualifikation.

Seine Amtszeit in Barnsley verlief unglücklich, hinderte aber ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel nicht daran, ihn vor der Bestellung von Ralf Rangnick als neuen Teamchef in Erwägung zu ziehen.

Stocklasa ist den einheimischen Fans noch als Defensiv-Abräumer bei der SV Ried bekannt, leistete später im Liechtensteiner Fußballverband gute Arbeit und ist seit Jänner 2021 Teamchef. Sein Punkteschnitt von 0,06 ist zwar ein Horror, trotzdem hat er Erfahrung im Umgang als Cheftrainer von Profispielern.

Diese hat Klose schlichtweg nicht. Als Co-Trainer hatte er nicht das letzte Entscheidungsrecht, konnte seinen ranghöheren Kollegen nur Empfehlungen geben. Sein Potenzial bewies er als Bayerns U17-Coach. Doch Altach ist nochmal eine völlig andere Welt.

Und die Rheindorfer gehen in diesem Deal gewiss das höhere Risiko ein. Einen Mann von solchem Format nach der horrenden Trainersuche überhaupt zu bekommen, ist eine große Überraschung.

Der sonst so gut und ruhig geführte Verein schrieb in den letzten Wochen eine negative Schlagzeile nach der anderen. Und nun soll ein No-Name-Trainer für eine Spielzeit ohne große Probleme sorgen?

Wäre man abgestiegen und hätte Klose als Trainer installiert, wäre dieser Schritt nachvollziehbarer. Mit dem 44-Jährigen könnte man eine Dynastie aufbauen, sowohl Klub als auch Coach weiterentwickeln und gemeinsam nach dem Bundesliga-Aufstieg streben.

Nun soll aber jemand, der keine Erfahrung im Profi-Bereich hat, im Notfall die Stimmung in der Kabine hoch halten und Krisenzeiten bewältigen können? Wie geht Klose mit einer Negativserie überhaupt um? Haut er auf den Tisch, bleibt er handzahm mit seinen Spielern?

Hier wäre eine routinierte Lösung die schlauere Variante gewesen. Am österreichischen Trainermarkt gab es viele solcher Männer, die Erfahrung im Abstiegskampf haben. Gerald Baumgartner, Kurt Russ, Robert Ibertsberger oder Andreas Heraf – sie kennen die Liga in- und auswendig, wissen wie es ist, unter Druck zu stehen und sich der drohenden Zweitklassigkeit entgegenzustemmen. Klose aber nicht.

Und das könnte den Vorarlbergern in kritischen Phasen der Saison teuer zu stehen kommen. Man legte sich denselben hohen Druck auf, den auch Klose auf seinen Schultern tragen muss. Bekannte Namen bringen Aufmerksamkeit und lassen einen renommmiert aussehen.

Geht das aber nicht auf, wird es in Altach das große Köpferollen geben. Werner Grabherr ist in seiner Position nämlich keinesfalls unumstritten. Unter den Anhängern genießt er nicht den allerbesten Ruf. Und diese werden es ihm nicht danken, wenn die überaus interessante Variante Klose nicht aufgehen sollte.

Marketing-technisch ist jedenfalls ein Coup gelungen, der sogar in Frankreichs größter Sportzeitung L’Equipe für Schlagzeilen sorgte – und Altachs Website kurzfristig lahmlegte.

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