Der Kader
Die Klagenfurter haben nach dem Aufstieg darauf verzichtet, groß umzubauen. "Das war nicht bewusst, da muss man viele Dinge miteinbeziehen: Wie ist die finanzielle Situation? Welche Spieler werden dir angeboten? Welche Spieler helfen dir weiter?", erklärt Trainer Peter Pacult die Hintergründe.
Es ist davon auszugehen, dass sich bei den Klagenfurtern nach den ersten Runden in Sachen Neuzugänge noch etwas tut. Sportchef Matthias Imhof sagt: "Wir wollen Spieler abgeben, mit denen wir nicht mehr planen. Das haben wir intern ganz offen angesprochen. Wenn Plätze im Kader frei werden, wollen wir sie neu besetzen. Das Gerüst steht, aber es gibt Positionen, auf denen wir uns breiter aufstellen müssen. Da ist aber wohl noch etwas Geduld gefragt."
Eine Handvoll neuer Spieler ist aber schon da. Mit Mittelfeldmotor Turgay Gemicibasi (25) und Innenverteidiger Nicolas Wimmer (26) wurden zwei Stammkräfte von Zweitliga-Meister Blau-Weiß Linz geholt. Der 22-jährige Kanadier Gloire Amanda (Oregon State) hat in der Vorbereitung schon seinen Torriecher bewiesen. "Von den Anlagen her kann der Bursche etwas. Er ist noch jung, aber was ich bisher von ihm gesehen habe, ist schon sehr beeindruckend", ist Pacult begeistert. Ebenfalls aus Übersee, nämlich vom FC Dallas, ist Mittelfeldmann Thomas Roberts gekommen.
Von Bundesliga-Klub WSG Tirol wurde Florian Rieder (25) ablösefrei geholt. "Er ist schnell, technisch gut und hat seine Stärken im letzten Drittel, weil er sehr zielstrebig selbst den Abschluss sucht oder den finalen Pass anbringen kann", sagt Imhof.
Die restlichen Neuzugänge sind Perspektivspieler, die zunächst noch kein Fall für die Startelf sind.
Abgesehen von Kapitän Markus Rusek, der aus familiären Gründen zum GAK gewechselt ist, wurden alle Schlüsselspieler gehalten. Kicker wie Kosmas Gkezos, Patrick Greil und Christopher Cvetko haben das Zeug, um in der Bundesliga aufzuzeigen.
Gleichzeitig fehlt aber die Bundesliga-Erfahrung. Nur sechs Kaderspieler sind schon in Österreichs höchster Spielklasse aufgelaufen, lediglich Neuzugang Rieder, Markus Pink und Thorsten Mahrer öfter als 20 Mal.
"Vielleicht werden wir mehr Platz haben, aber das Tempo ist höher, die Handlungsschnelligkeit ist eine ganz andere – daran müssen sich die Burschen gewöhnen", sagt Pacult.
Der Trainer muss es wissen, er hat nämlich jede Menge Erfahrung.
Der Trainer
Mit 61 Jahren ist der Wiener der älteste Bundesliga-Trainer der neuen Saison. 181 Mal stand er schon in der Bundesliga an der Seitenlinie. Nach zehn Wanderjahren, zuletzt vornehmlich am Balkan, ist Rapids letzter Meistermacher zurück.
Der Floridsdorfer, der oft als klassischer Wiener Grantscherm verschrien war, wirkt locker und gelöst. Er grinst: "Vielleicht täuscht das. Bei Medienterminen vor der Saison kann man leicht locker sein. Wenn die Spiele dann laufen, wird man wieder ein anderes Gesicht sehen."
Gesellschafter Zeljko Karajica erinnert sich an die Unkenrufe rund um Weihnachten 2020 zurück, als Pacult als Nachfolger von Robert Micheu präsentiert wurde: "Ich war mir sicher, dass Peter Pacult mit seiner Qualität und Erfahrung der richtige Mann für uns ist. Er hat großartige Arbeit geleistet und ihm gebührt auch ein Kompliment für das dicke Fell, das er am Anfang unter Beweis gestellt hat, als sich viele Kritiker zu Wort meldeten und in den Medien schon vor dem ersten Training draufgehauen wurde. Jetzt dürfte jedem klar sein, ihn falsch eingeschätzt zu haben."
Vice versa schwärmt auch Pacult von seinen Bossen: "Man muss dem Gesellschafter danken, dass er den Verein vor zwei Jahren übernommen hat. Damals war eigentlich alles tot. Austria Klagenfurt ist in den Medien nicht vorgekommen, ist in der Bevölkerung nicht angekommen. Diese Herren haben Geld in die Hand genommen und gut gearbeitet. Hoffentlich geht es in dieser Tonart weiter."
VIDEO: Die schönsten Saisontore von Austria Klagenfurt
(Text wird unter dem Video fortgesetzt)
Der Investor
Im Juni 2018 wurden die losen Kontakte intensiviert, im November 2018 waren die Verträge ausverhandelt, am 6. Februar 2019 konnte sich Peter Svetits dann endlich zu einer Unterschrift und der Übergabe des Vereins durchringen. Fortan war die Hamburger Firma von Tomislav Karajica "Home United" Eigentümer des SK Austria Klagenfurt, Ivica Peric wurde zum neuen Präsidenten gewählt. Inzwischen hat sich an der Struktur ein bisschen etwas geändert.
"Wir finden in Klagenfurt Sport als kreierbaren Content, den wollen wir mitkreieren", so Karajica. Der Verein wurde entschuldet, der Profibetrieb in eine GmbH ausgegliedert. Im Mai 2020 stieg dann auch noch Zeljko Karajica, Bruder von Tomislav, ein (Anm.: Im Bild sind die Brüder zu sehen). Der 49-Jährige war zuvor unter anderem als Geschäftsführer für die ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH sowie als CEO der von ihm gegründeten Sportbusiness-Unit 7sports tätig.
Inzwischen ist der Steuerberater Herbert Matchek Präsident des Vereins. Neben den Karajica-Brüdern sind auch der Rechtsanwalt Gernot Wilfing und der Videoproduzent Tillmann Stracke Teile des Präsidiums.
"Unter dem Dach von Home United vereint sich ein ständig wachsendes Partnernetzwerk mit Akteuren aus den Bereichen Sport, Event, Digital- und Kreativwirtschaft, Jugend- und Quartiersarbeit sowie der Stadt Hamburg", so die Selbstbeschreibung von "Home United".
Um die Sport- und Esport-Engagements zu bündeln, wurde im Frühjahr 2020 die "SEH Sport & Entertainment Holding GmbH", mit den Karajicas als Gesellschaftern, gegründet. Unter ihrem Dach laufen die Engegements bei der Klagenfurter Austria, aber auch beim deutschen Basketball-Bundesligist Hamburg Towers, beim deutschen Fußball-Regionalligisten Viktoria Berlin, beim Football-Team Hamburg Sea Devils und beim E-Sport-Teams Unicorns of Love. Zudem entsteht unter Anleitung Karajicas aktuell die European League of Football, die eine Art NFL für Europa werden soll.
Ebenfalls im Umfeld der "SEH Sport & Entertainment Holding GmbH" ist die Spielerberater-Agentur "More than Talents" aktiv, bei der unter anderem die Klagenfurter Kicker Phillip Menzel, Fabio Markelic, Julian von Haacke und Kwabe Schulz unter Vertrag stehen.
In Klagenfurt blieb seit der Ankunft jedenfalls kein Stein auf dem anderen.
VIDEO: Das sagt Pacult über die Klub-Bosse
(Artikel wird unter dem Video fortgesetzt)
Das Umfeld
Das 2007 eröffnete Wörthersee Stadion ist zweifellos eines der schönsten, wenn nicht sogar das schönste Stadion des Landes. Rund 30.000 Fans finden darin Platz. Davon, die Arena zu füllen, ist die Austria aber weit entfernt. "Wir müssen uns die Zuschauer erst erarbeiten, sie uns mit guten Leistungen wieder verdienen", weiß Pacult.
Am Gelände des Sportparks ist ab der neuen Saison auch die Akademie des Vereins angesiedelt. Im Frühjahr ist den Kärntnern überraschend der Coup gelungen, Akademie-Status zu erhalten und somit mit U15, U16 und U18 an den ÖFB-Jugendligen teilnehmen zu dürfen. Der Deutsche Wolfgang Schellenberg fungiert als Akademie-Leiter.
Ebenfalls mit von der Partie sind unter anderem Ex-Chefcoach Robert Micheu, der derzeit seine UEFA-Pro-Lizenz erwirbt. Mit Alexander Bauer konnte der bisherige Akademieleiter des LASK als U15-Chefcoach gewonnen werden. Ebenfalls namhaft: U16-Coach Thomas Höller, früher ÖFB-Teamspieler und auch schon Co-Trainer beim SV Mattersburg.
Die operativen Geschäfte des Vereins leiten ebenfalls zwei Deutsche: Harald Gärtner und Matthias Imhof.
Gärtner (52) ist für die wirtschaftlichen Angelegenheiten zuständig, war zwölf Jahre lang Geschäftsführer beim FC Ingolstadt und somit am Aufstieg der Oberbayern in die Bundesliga beteiligt.
Imhof (53) ist im Mai 2019 nach Kärnten gekommen und praktisch der Sportchef der Austria. Als Aktiver hat er mit den Stuttgarter Kickers in der deutschen Bundesliga gespielt, war auch bei Viktoria Aschaffenburg und 1860 München. Bei den "Löwen" hat er danach jahrelang als Nachwuchskoordinator gearbeitet.
Die Erwartungen
"Wir sind gekommen, um zu bleiben", sagt Pacult.
Der Trainer-Routinier ist erfahren genug, um den Ball flach zu halten: "Wir brauchen nicht illusorisch zu sein. Unser Ziel als Aufsteiger kann nur sein, die Klasse zu halten. Das hat oberste Priorität." Die Zeiten, in denen es Bundesliga-Neulinge auf Anhieb in den Europacup schaffen, sind seit der Ligareform vorbei.
Spannend wird sein, ob es dem Klub gelingt, die Herzen der Klagenfurter zu erobern. Die Vergangenheit – Pleite-Klub FC Kärnten, Chaos-Truppe Austria Kärnten – hat die Skepsis gegenüber dem Fußball in der Kärntner Landeshauptstadt deutlich vergrößert.
"Aber man merkt, dass aus der Vergangenheit Austria Klagenfurt der Verein war, der oft in der Bundesliga gespielt hat", meint Pacult. Denn eines darf nicht vergessen werden: Mit dem WAC gibt es einen Kärntner Konkurrenten. Die Lavanttaler fischen in Sachen Sponsoren, Talente und Landesförderungen im selben Teich.
Auf Dauer wollen sich die Klagenfurter als Kärntner Nummer eins etablieren und natürlich nicht jedes Mal "nur" um den Klassenerhalt spielen. Zeljko Karajica formuliert es so: "Wir betrachten den Aufstieg nur als erste Etappe, die erfolgreich gemeistert wurde."