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Marco Angeler: "Zufrieden ist im Sport oft das falsche Wort"

Marco Angeler: "Zufrieden ist im Sport oft das falsche Wort" Foto: © GEPA

Als Spieler kickte Marco Angeler die meiste Zeit im Fußball-Unterhaus. Als Athletiktrainer ist der heute 34-Jährige österreichweit an der Spitze angekommen.

Nach seiner aktiven Fußballer-Karriere arbeitete Angeler als Athletiktrainer zuerst bei der Admira und dann bei der Wiener Austria. 2020 wechselte er gemeinsam mit Christian Ilzer zu Sturm Graz, wo er zwei Mal Vizemeister und 2023 Cupsieger wurde.

Im LAOLA1-Interview spricht der gebürtige Niederösterreicher über die Wichtigkeit von Fitness im modernen Fußball, Trainingssteuerung und warum man sich auch im Erfolgsfall nicht ausruhen darf.

LAOLA1: Herr Angeler, was sind die Aufgaben eines Athletiktrainers?

Marco Angeler: Das Aufgabengebiet ist wirklich breit gefächert. Es geht in erster Linie darum, die physischen Fähigkeiten der Spieler zu entwickeln, die zu unserem Spielstil passen müssen. Außerdem versuchen wir mit den Trainingsmethoden, der Planung und der Steuerung des Trainings das Verletzungsrisiko zu senken und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Spieler zu erhöhen. Dabei geht es aber nicht um die physische, sondern wirklich um die fußballspezifische Leistungsfähigkeit. Wir wollen schnellen, präzisen Fußball spielen und, wenn möglich, immer alle Spieler zur Verfügung haben. Das ist die Challenge.

 

Früher war der Athletiktrainer eher der Mann mit der Pfeife, der sogenannte Schleifer, vor dem alle Spieler Angst hatten. Das hat sich total gewandelt.

Sturms Atletikcoach Marco Angeler

Zufrieden ist im Sport oft das falsche Wort. Ich werde nie zufrieden sein. Aber ich bin sehr stolz auf das, was wir als Mannschaft erreicht haben.

Marco Angeler

Es ist kein Qualitätsmerkmal, wenn ich als Trainer ein Training mit den Spielern durchführe und sie im Nachhinein einfach komplett zerstört sind.

Marco Angeler

Wenn Christian Ilzer woanders hingeht, dann wird man dort den exakt selben Spielstil sehen, den man jetzt bei Sturm sieht. Er steht für diese Art und Weise des Fußballs.

Marco Angeler

LAOLA1: Wie hat sich der Job des Athletiktrainers über die Jahre entwickelt?

Angeler: Es hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. Früher war der Athletiktrainer eher der Mann mit der Pfeife, der sogenannte Schleifer, vor dem alle Spieler Angst hatten. Das hat sich total gewandelt. Es ist ein viel komplexerer, sportwissenschaftlicherer Zugang mittlerweile. Es geht im Job um die Verletzungsprävention, die Entwicklung der Leistungsfähigkeit und in vielen Fällen ist es auch so, dass ich nicht der Schleifer, sondern vielleicht sogar der Bremser bin. Ich sehe mich als Fußball-Fitnesstrainer.

LAOLA1: Wie wichtig sind Athletik und Fitness im Spiel von Sturm Graz?

Angeler: Sehr wichtig. Wir legen sehr großen Wert darauf, dass wir in der Lage sind, 90 Minuten mit hohem Tempo zu spielen. Für diesen Fußball stehen wir. Wenn ein Fan ins Stadion kommt, muss es einen gewissen Wiedererkennungswert geben. Egal ob wir gegen Hartberg und Altach oder gegen Lazio und Feyenoord spielen. Wir verändern unseren Spielstil nicht jede Woche neu. Das zeichnet gute Mannschaften aus. Unser Spiel fordert viel Energie mit und gegen den Ball und wir versuchen die Spieler in diese Richtung zu entwickeln.

Ausgebildet in der Rapid-Jugend, spielte Marco Angeler in der Saison 2013/14 mit Wiener Neustadt in der Bundesliga, danach ging es ins Unterhaus. 2016 folgte das frühe Karriereende.
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LAOLA1: Wie sehr ist diese Entwicklung schon jetzt erkennbar?

Angeler: Ich bin wirklich sehr froh, mit welcher Bereitschaft unsere Spieler Tag für Tag ins Training gehen. Wir vergleichen unsere Laufdaten mit denen der anderen Teams und sind die laufstärkste Mannschaft in der Liga. Auf das bin ich stolz. Die Spieler haben sich natürlich selbst in diese Richtung entwickelt und das kommt uns zugute.

LAOLA1: Wo muss sich die Mannschaft noch verbessern?

Angeler: Wir sind in einer brutalen Pressing-Liga. Fast alle arbeiten extrem aktiv gegen den Ball. Und mit Ball versucht eigentlich jeder, sehr schnell vor das gegnerische Tor zu kommen. Wir sind diesbezüglich auf einem sehr guten Weg, haben aber noch Luft nach oben. Im Rahmen unserer Möglichkeiten wollen wir versuchen, noch schneller zu spielen. Wenn wir den Ball haben, wollen wir unsere Aktionen mit dem Ball noch schneller durchführen. Auch wenn wir gegen den Ball spielen, wollen wir den Gegner noch schneller unter Druck setzen, noch schneller zu Fehlern zwingen. Aber darunter darf die Präzision nicht leiden. Für mich ist die Qualität eines Spielers die Präzision plus das Tempo.

LAOLA1: Wie sieht ein Training aus Ihrer Perspektive aus?

Angeler: Wir tracken jedes Training live mit. Das heißt, wir bekommen die Daten von den Spielern direkt live aufs Tablet, mit dem ich auf dem Trainingsplatz stehe. Wir versuchen das Training im Vorhinein so exakt zu planen, dass wir während des Trainings nicht mehr eingreifen müssen. Im Endeffekt geht es darum, dass wir schnell einen guten Überblick über die Belastung und Intensität des Trainings bekommen, damit der Cheftrainer die nächsten Einheiten wieder entsprechend planen kann.

LAOLA1: Das heißt, Sie stehen im ständigen Austausch mit dem restlichen Trainerteam?

Angeler: Absolut, ja. Das geht wirklich nur so im Team, wo alle Experten in ihren Bereichen sind. Es ist keine One-Man-Show. Ich arbeite jetzt schon fast vier Jahre mit Chris (Anm. Ilzer) zusammen. Ich weiß, was er erwartet und versuche, das bestmöglich zu erfüllen. Auch im Erfolgsfall muss man weitermachen. Uns zeichnet aus, dass wir uns einfach nie zufriedengeben. Das ist das, was wir auch von den Spielern verlangen.

LAOLA1: Der moderne Fußball wird immer schneller. Steigt dadurch das Verletzungsrisiko?

Angeler: Ich denke nicht. Was wir als Trainer sehr gut planen und auch steuern können, ist der Umfang des Trainings. Es macht einen Unterschied, ob ich 30 Minuten trainiere oder 90. Der Trainingsumfang ist die Grundvoraussetzung, damit es zu keinen Verletzungen kommt. Da macht es für mich keinen Unterschied, ob ich den Fußball von Guardiola, Mourinho oder Klopp spiele. Wenn das Spiel sehr sprintintensiv ist und ich im Training viele Sprints mache, die gut gesteuert sind, senkt ein gutes Fitnesslevel das Verletzungsrisiko. Ein schlechtes Fitnesslevel lässt das Verletzungsrisiko ansteigen. Es ist immer eine Frage der Steuerung und der Planung des Trainings.

Das intensive Spiel von Sturm Graz bedeutet nicht nur für die Spieler, sondern auch für den Atletiktrainer Marco Angeler viel Arbeit.
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LAOLA1: Was sind die größten Herausforderungen als Athletiktrainer?

Angeler: Für mich gibt es immer zwei wichtige Begriffe als Athletiktrainer: Es gibt Fitness auf der einen Seite und es gibt Frische auf der anderen Seite. Beides ist extrem wichtig. Fitness im Fußball bedeutet für mich, dass die Spieler in der Lage sind, unseren Spielstil wirklich mit hohem Tempo 90 Minuten lange umzusetzen. Wir müssen dabei aber auch schauen, dass wir die Trainingsbelastung unter der Woche so reduzieren, dass die Spieler am Wochenende optimal frisch sind.

LAOLA1: Welche Methoden nutzen Sie, um sicherzustellen, dass sich die Spieler bei diesem intensiven Spielstil optimal erholen?

Angeler: Ich denke, bei der Regeneration gibt es zwei Dinge, die sehr wesentlich sind. Zum einen den Schlaf und zum anderen die Ernährung. Das ist, wie wenn du einen Ferrari fährst - und meine Spieler sind Ferraris – ihn aber nur mit schlechtem Sprit auftankst. Dann wird der Motor nicht zu 100% leistungsfähig sein. Wir haben mit unserer Ernährungswissenschaftlerin Darinka Stock eine super Ansprechpartnerin für die Spieler und versuchen den Bereich Ernährung bestmöglich abzudecken. Der Bereich Schlaf fällt aber nicht in das Gebiet, das wir aktiv beeinflussen können.

LAOLA1: Das heißt Eigenverantwortung spielt bei der Regeneration eine große Rolle?

Angeler: Absolut. Ich habe aus der Premier League vor ein paar Jahren einen guten Impuls für eine Art "Regenerations-Punktesystem" bekommen. Für jede Art der Regeneration, also Massage, Stretching oder die richtige Mahlzeit, die direkt nach der Belastung durchgeführt wird, gibt es Punkte. 20 Punkte für zehn Minuten Stretching beispielsweise. Das Ziel ist, dass die Spieler innerhalb von 24 Stunden nach Belastungsende 100 Punkte sammeln und sich so gut erholen. Wie gesagt, das ist sehr viel Eigenverantwortung, aber wir können die Spieler immer in die richtige Richtung lenken. Ich weiß aber nicht, was der Spieler macht, wenn er heimgeht. Er weiß aber sehr wohl, dass am nächsten Tag wieder ein intensives Training stattfindet.

LAOLA1: Kommen wir zur jüngeren Vergangenheit. Die Saison 2022/23 ist Geschichte. Wie sieht Ihr Resümee aus?

Angeler: Wir haben den Cup-Titel gewonnen und auch in der Europa League gut performt, wo wir leider mit acht Punkten ausgeschieden sind. Wir haben Salzburg in der Liga bis zum Schluss fordern können und insgesamt in allen drei Wettbewerben richtig gut performt. Die Ergebnisse sind das Resultat der Leistungsfähigkeit der Mannschaft. Von daher bin ich sehr zufrieden. Wobei: Zufrieden ist im Sport oft das falsche Wort. Ich werde nie zufrieden sein. Aber ich bin sehr stolz auf das, was wir als Mannschaft erreicht haben. Unterm Strich war es wirklich eine tolle Saison, nach der ich wirklich sehr stolz bin auf jeden Einzelnen, der dabei war.

LAOLA1: Was ist in der Sommervorbereitung zu beachten?

Angeler: Der Start in die Vorbereitung ist für mich immer eine ganz entscheidende Phase. Die Spieler kommen nach einem zwei bis dreiwöchigen Urlaub wieder zum Training. Ich habe leider auch schon beobachtet, dass genau in dieser Phase, wo das Fußball-Fitnesslevel der Spieler über die gesamte Saison gesehen am niedrigsten ist, oftmals am meisten trainiert wird. Dabei ist das Verletzungsrisiko extrem hoch. Das ist kontraproduktiv.

LAOLA1: Das heißt, dieses "Felix-Magath-Training" in der Vorbereitung ist alles andere als förderlich?

Angeler: Für mich ist das absoluter Schwachsinn. Ich kenne diese Methoden, es hat mit Fußball nichts zu tun und geht nur zulasten der Gesundheit der Spieler. Ich finde gar keine Worte dafür. Es ist so weit weg von meiner Philosophie, was Fußball-Fitness betrifft. Es ist kein Qualitätsmerkmal, wenn ich als Trainer ein Training mit den Spielern durchführe und sie im Nachhinein einfach komplett zerstört sind. Für mich geht es darum, dass du sehr wohl hart, aber intelligent trainierst.

 

Eingespieltes Team: Marco Angeler und Christian Ilzer arbeiten bereits seit 2019 zusammen.
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LAOLA1: Sie haben bei Sturm noch einen Vertrag bis 2025. Wie planen Sie Ihre Zukunft?

Angeler: Ich war eigentlich immer sehr gut beraten im Fußball, wenn ich gar nichts geplant habe. Ich versuche mich auf den Moment und auf das Wesentliche zu konzentrieren, vor allem auf die Gegenwart. Wenn man sich auf die Dinge konzentriert, die für den Job wichtig sind, dann kommt alles andere von selbst. Ich habe noch zwei Jahre Vertrag bei Sturm und fühle mich wirklich sehr wohl bei dem Verein. Ich könnte mir aktuell nichts Besseres vorstellen und bin sehr froh, hier zu arbeiten. Der Erfolg der letzten Jahre hat seinen Teil dazu beigetragen und das gesamte Trainerteam bestärkt.

 

LAOLA1: Würden Sie auch ohne Christian Ilzer bei Sturm bleiben und Ihren Stil gegebenenfalls einem neuen Trainer anpassen?

Angeler: Das ist eine sehr hypothetische Frage, die ich nicht beantworten kann. Bisher hat er (Anm. Christian Ilzer) mich immer mitgenommen. Er hält viel von mir und ich bin sehr froh, dass ich in seinem Team arbeiten kann. Aber wenn ein anderer Trainer kommen würde, der eine ganz andere Philosophie hätte, dann muss es so sein, dass der Trainer sich nicht an mich anpassen muss, sondern umgekehrt. Der Trainer gibt die Richtung vor und ich versuche ihn und die Mannschaft in dieser Richtung bestmöglich zu unterstützen. Wenn Christian Ilzer woanders hingeht, dann wird man dort den exakt selben Spielstil sehen, den man jetzt bei Sturm sieht. Er steht für diese Art und Weise des Fußballs. Vorausgesetzt, er hat das richtige Spielermaterial.

LAOLA1: Welchen Rat würden Sie jungen Spielern geben, die sich verbessern und möglicherweise den Sprung in den Profifußball schaffen möchten?

Angeler: Ich denke, das Alter zwischen 17 und 19 ist ganz entscheidend. Da trennt sich oft die Spreu vom Weizen. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man als Spieler, der erstmalig im Profikader steht, versteht, dass das erst der Beginn und nicht schon das Ende ist. Im Profifußball muss man tagtäglich bereit sein, an die Leistungsgrenze zu gehen. Das Mindset ist neben der technischen Qualität ausschlaggebend, ob ein Spieler sein Potenzial ganz oder nur zu einem gewissen Prozentsatz entwickeln kann. Dafür müssen die Spieler an sich selbst arbeiten. Tag für Tag, Woche für Woche.

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