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Unter Heiko Vogel braucht Sturm "mehr Eier"

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Unter Heiko Vogel hat der SK Sturm Graz gut lachen - zumindest kam der Spaß beim ersten Training unter Anleitung des Nachfolgers von Franco Foda nicht zu kurz.

Doch wenn es um die Sache geht, kann der Deutsche auch anders. Nach dem ersten Trainings-Match versammelte Vogel seine Schützlinge im Mittelkreis und hatte einige eindringliche Botschaften parat.

"Ihr müsst vom Kopf her umdenken!" "Ihr braucht mehr Mut, mehr Eier!" "Ihr müsst schneller nachrücken. Der Sechser muss dem Achter einen Arschtritt geben, der Achter muss dem Zehner einen Arschtritt geben! Der Zehner muss dem Neuner einen Arschtritt geben!"

Alles Kommandos mit dem Ziel, dass die Sturm-Spieler früher als bisher gewohnt auf ihre Gegenspieler draufgehen. "Ihr seid die beste Mannschaft der Liga", erinnerte Vogel seine Schützlinge und will, dass die Gegner keine Zeit zum Rausspielen haben und ihre überhasteten Abschläge in seinen Armen an der Seitenlinie landen.

"Danach waren wir alle bis in die Haarspitzen motiviert und wollten gleich auf den Platz rausgehen und trainieren."

Röcher über erste Vogel-Ansprache

"Was für ein Trainer ich bin? Es gibt keine Vergleiche. Ich bin ich. Ich habe meine positiven und negativen Seiten, das gilt für jeden Menschen. Ich bin mit Sicherheit kein Mensch oder Trainer, der sich in gewisse Schubladen stecken lassen will."

Heiko Vogel

"Nur darf man jetzt natürlich nicht den Fehler machen und im Moment eines Erfolgs den zukünftigen Erfolg gefährden, weil man selbstzufrieden ist. Erreicht hat man noch nichts!"

Heiko Vogel

Mehr "Eier" für die neue Spielphilosophie

Eine gute Stunde davor dürfte Vogel auch in der Kabine bei seiner allerersten Ansprache als Sturm-Coach die richtigen Worte gefunden haben.

"Danach waren wir alle bis in die Haarspitzen motiviert und wollten gleich auf den Platz rausgehen und trainieren. Er hat aber auch ein bisschen Lockerheit und Spaß rübergebracht. Ich glaube, dass er ein lockerer Typ ist, der uns aber auch nach vorne peitschen kann ", schildert Thorsten Röcher.

Und wie ist es mit den Eiern? "Die haben wir alle", versichert Stefan Hierländer. Peter Zulj ergänzt: "Klar braucht man zum Fußballspielen Eier. Aber beim neuen System, bei der neuen Spielphilosophie braucht man sie noch ein bisschen mehr."

"Es geht schneller nach vorne, man presst ein bisschen mehr. Aber mehr will ich nicht verraten", erklärt der Mittelfeldspieler und entspricht damit wohl auch dem Wunsch seines neuen Trainers, der betont, dass er sich bezüglich Spielphilosophie "noch nicht in alle Karten schauen" lassen wolle.

Ein Stück weit unberechenbarer

Dass Sturm in Zukunft ganz gemäß dem Motto "Mehr Mut, mehr Eier" früher draufgehen soll, leugnet Vogel jedoch nicht, ehe er sich in philosophische Gedanken flüchtet: "Mehr Mut, vielleicht aggressiver und weiter vorne zu attackieren. Ich habe das Beispiel mit Christopher Columbus gebracht, der mit Sicherheit auch nicht gewusst hat, wo die Reise hingeht, aber die erste hohe Welle hat ihn auch nicht davon abgehalten, die Reise trotzdem durchzuziehen."

Die Spätphase der letzten Foda-Ära war von zuvor ungewohnter taktischer Flexibilität geprägt. Vogel möchte noch "ein bisschen mehr Flexibilität" an den Tag legen und sieht sich selbst dabei als die große Unbekannte für die Kontrahenten: "Wir sollten ein Stück weit unberechenbarer sein. Das heißt nicht, dass wir das bisher nicht waren. Aber das sind wir nun automatisch, weil ich vielleicht noch die eine oder andere Nuance an Idee mitbringe."


Die gegnerischen Coaches müssen Vogels Ideen erst kennenlernen, zuvor müssen dies jedoch naturgemäß erst einmal die eigenen Spieler. Genau wie der 42-Jährige seine Schützlinge erst besser kennenlernen muss.

"Da ich viele Spiele gesehen habe, habe ich die Namen schon gekannt. Aber ob ich die Spieler schon kenne? Ich glaube nicht. Um einen Menschen zu kennen, braucht man ein bisschen mehr Zeit als einen Tag oder das erste gemeinsame Training."

Lange Vorbereitungszeit auf den Job als Privileg

Da er eine solch lange Zeit hatte, um sich vorzubereiten, sei auch die Vorfreude eine riesige gewesen, die Mannschaft endlich zu sehen und "die Jungs zu spüren". Wenn solch ein Termin für ihn Business as usual wäre, wäre dies schlimm.

In die Fußstapfen eines erfolgreichen Vorgängers zu treten, ist bisweilen keine leichte Übung. Vogel ortet im konkreten Fall aber gerade in besagter langer Vorbereitungszeit seinen entscheidenden Vorteil:

"So wie es hier gelaufen ist, sehe ich es als absolutes Privileg. Normalerweise findet ein Trainerwechsel branchenüblich so statt: Es ist nicht gut gelaufen, also kriegt ein Neuer das Heft in die Hand gedrückt und man schaut, was passiert. Hier war Franco Foda mit der Mannschaft erfolgreich und ist jetzt Teamchef. Ich habe davon, dass Franco und Günter Kreissl das so gedeixelt haben, dass er das Jahr 2017 zu Ende machen kann, profitiert, mich lange und intensiv darauf vorbereiten zu können. Ich habe viele Spiele anschauen und im Hintergrund Gespräche führen können. Ich habe unglaublich viele, gute und fundierte Informationen bekommen. Das macht es für mich nicht schwerer, sondern sehr angenehm."

Laut seinem ersten Eindruck haben sich auf dem Platz diese Informationen und "alles, was ich mir zusamengereimt habe", bestätigt. Vogel spricht von einem Team, das viel Freude am Fußball habe und bei dem vor allem der Umgang miteinander hervorzustreichen sei: "Umsonst gewinnt man nicht sechs Spiele nach einem Rückstand, das geht nur mit Moral und wenn das Miteinander funktioniert. Ich bin sehr zufrieden. Es ist genau das, was ich mir vorgestellt habe und das, was ich nutzen will."

Vogel lässt sich nicht "katalogisieren"

Dass er selbst auch zu guter Laune beitragen will, verhehlt der frühere Basel-Coach nicht: "Lachen sollte in unserem Geschäft dazugehören, es kommt aber immer auf die Situation an. Beim Trainingsauftakt stand die Freude im Vordergrund. Aber ich kann auch anders! Also, ich werde nicht immer nur lachen - außer die Mannschaft gewinnt immer, dann lache ich immer."

Dass ihm der Begriff "situationselastisch" gefällt, ist kein Geheimnis. Entsprechend kann Vogel auch mit der medialen Vorliebe, Personen in eine Schublade zu stecken, wenig anfangen. Er ist eben mal so, mal so.

"Es ist schwierig, mich zu katalogisieren, es kommt immer auf die Situation an. Manchmal erfordert eine Situation eine klare, unmissverständliche Ansage, manchmal ein Vieraugen-Gespräch, manchmal sanfte und ruhige Töne. Man kann das nicht pauschalieren. Ich will etwas erreichen aus taktischer Sicht. Dementsprechend habe ich das beim Auftakttraining lautstark untergebracht. Aber was für ein Trainer ich bin? Es gibt keine Vergleiche. Ich bin ich. Ich habe meine positiven und negativen Seiten, das gilt für jeden Menschen. Ich bin mit Sicherheit kein Mensch oder Trainer, der sich in gewisse Schubladen stecken lassen will."

Guardiola und die unterdrückte Nummer

Unberechenbar könnten auch seine medialen Auftritte werden, oder zumindest dürfte der humoristische Wert von Pressekonferenzen im Vergleich zu Foda steigen. Die erwartbare Nonanet-Einstiegsfrage über seinen ersten Eindruck von seiner Mannschaft beantwortete Vogel mit genau einem Wort:

"Super!"

Das folgende überraschte Schweigen im auf eine ausführlichere Antwort wartenden Auditorium genoss er sichtlich, wie er überhaupt dazu neigt, Antworten mit einem flapsig-ironischen Spruch zu beginnen.

In diesen Kontext fällt auch seine Antwort auf die Frage, ob er noch Kontakt mit Pep Guardiola, mit dem er beim FC Bayern in Berührung gekommen ist, pflegen würde: "Wenn er anruft, dann mit unterdrückter Nummer." Soll heißen: Es gibt keinen regelmäßigen Austausch.

Nur der Erfolg zählt

Wenn Sturm im Frühjahr an den Erfolg aus dem Herbst anschließen kann, ist der eine oder andere gute Spruch aufgelegt. Um Spaß geht es Vogel jedoch nur in zweiter Linie. In erster Linie ist ihm eines wichtig:

"Erfolg. Das ist wichtig. Das ist einfach so. Eine Mannschaft und ihr Trainer werden daran gemessen, ob sie erfolgreich sind oder nicht. Das ist auch das, was das Trainer-Dasein ausmacht. Uns geht es eigentlich nicht darum, unter der Woche zu trainieren, sondern wir alle - egal ob Spieler oder Trainer - fiebern aufs Wochenende hin. Das ist das Wichtigste, und wenn man da erfolgreich ist, hat man unter der Woche eine gute Stimmung und auch das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben."

Die "Blackies" haben im bisherigen Saisonverlauf als Winterkönig vieles richtig gemacht. Nun gelte es jedoch, darauf aufzubauen. Vogel schwärmt vom "unglaublich tollen Fundament", auf das er mit dem ersten Platz zurückgreifen könne.

"Ich habe auch zur Mannschaft gesagt, dass sie auf eine tolle Hinrunde zurückblicken kann und mit Recht da oben steht - keiner steht mit Glück oben, sondern das hat sich die Mannschaft erarbeitet und erspielt. Nur darf man jetzt natürlich nicht den Fehler machen und im Moment eines Erfolgs den zukünftigen Erfolg gefährden, weil man selbstzufrieden ist. Erreicht hat man noch nichts! Wir versuchen aber, das Selbstbewusstsein, das wir durch eine erfolgreiche Hinrunde erlangt haben, in die Rückrunde mitzunehmen."

Ein Ziel beginnt immer mit einem Traum

Das Ziel Meistertitel nimmt der Deutsche nicht konkret in den Mund. Dass Sturm kommende Saison europäisch spielen soll, versteht sich angesichts der Ausgangsposition von selbst. Dass ein CL-Startplatz wünschenswert wäre, ebenso:

"Ein Ziel beginnt immer mit einem Traum und diesen Traum habe ich natürlich, das ist doch völlig klar. Dass die Mannschaft aufgrund der Hinrunde das Vermögen dazu hat, brauchen wir auch nicht zu leugnen. Aber wir wissen alle, dass im Fußball natürlich vieles dazukommt. Red Bull war ja auch nicht untätig, die lassen auch ihre Kräfte spielen. Also wird es schwer, aber im Fußball ist alles möglich - in beide Richtungen. Ich hoffe, dass alle Spieler verletzungsfrei bleiben, das ist eine Grundvoraussetzung. Wenn das der Fall ist, bin ich sehr optimistisch, dass wir in Richtung CL-Qualifikation schauen können."

Und dann hätte man bei Sturm auch weiter einiges zu lachen - egal in welcher "Sprache". Denn mit dem steirischen Dialekt kommt Vogel laut eigener Aussage bereits ganz gut zurecht:

"Es bemühen sich viele, dass ich die Eigenheiten dieses Dialekts kennenlerne. Aber mir fiel es schon in der Schweiz relativ einfach. Den Großteil verstehe ich. Wenn ich etwas nicht verstehe, überhöre ich es einfach oder frage nach."

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