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Diese fünf Bayern-Baustellen erwarten Christoph Freund

Diese fünf Bayern-Baustellen erwarten Christoph Freund Foto: © getty

Ein Salzburger nimmt die Zügel beim großen FC Bayern München in die Hand.

Mit dem 1. September 2023 beginnt ein neues Zeitalter beim deutschen Rekordmeister, denn fortan wird Christoph Freund die Geschicke als Sportdirektor leiten. Für den 47-jährigen Salzburger endet damit eine besondere Ära: Der Erfolgsmacher von Red Bull Salzburg kehrt nach 17 langen Jahren der Aufbauarbeit seinem Herzensverein den Rücken.

Freund tritt nun das Erbe von Hasan Salihamidzic an, dem am Ende der Vorsaison gemeinsam mit Oliver Kahn das Vertrauen des operativen Geschäfts entzogen wurde.

Ganze elf Meistertitel feierte der deutsche Ligakrösus in Folge und doch läuft längst nicht mehr alles rund, wie vor allem die vergangene Spielzeit hervorbrachte. Es sind umstrittene Entscheidungen, die sein Vorgänger mitzuverantworten hatte. Dadurch entstandene Situationen, wie zum Beispiel das vieldiskutierte Nagelsmann-Aus, machen Freunds neuen Job nicht gerade leichter.

Denn auch in der neuen Saison tun sich beim glorreichen FC Bayern München einige Baustellen auf. LAOLA1 verschafft einen Überblick, welche Herausforderungen Freund nach seinem Amtsantritt anzugehen hat.

Baustelle 1: Die andauernde Trainerfrage

Baustelle 1: Die andauernde Trainerfrage
Bayern-Trainer Thomas Tuchel war nach der Pleite im deutschen Supercup-Finale ratlos
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Als Feuerwehrmann nach der Entlassung von Julian Nagelsmann eingesetzt, hatte Thomas Tuchel bis auf die Last-Minute-Meisterschaft in der vergangenen Saison nicht gerade viel zu lachen.

Seit der Ankunft des ehemaligen Dortmund-Coaches laufen die Bayern deutlich ihren Ansprüchen hinterher. Die bisherige Bilanz des 49-jährigen Übungsleiters: 13 Spiele, sechs Siege, zwei Remis und fünf Niederlagen. Es kommt das beunruhigende Torverhältnis von 22 erzielten zu 20 erhaltenen Treffern hinzu.

Der jüngste Wermutstropfen, den Tuchel und seine Mannschaft hinnehmen musste, war die 0:3-Schmach im deutschen Supercup-Finale gegen RB Leipzig.

"Ich habe keine Ahnung", fand Tuchel keine Gründe für den blutleeren Auftritt seines Teams. "Ich habe jetzt keine Lösung. Wir haben so gespielt, als ob wir vier Wochen nicht trainiert hätten. Das ist erschreckend", so die drastischen Worte des Bayern-Trainers rund eine Woche vor dem Bundesliga-Auftakt gegen Werder Bremen (Freitag, 20:30 Uhr im LIVE-Ticker>>>).

Auch muss sich Tuchel aufkeimender Kritik an seinen Transfer-Wünschen gefallen lassen. Der deutsche Taktiker wünscht sich einen neuen Sechser. Ein deutliches Signal an Neuzugang Konrad Laimer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Ryan Gravenberch, die Tuchels Anforderungsprofil scheinbar nicht entsprechen. Den Münchnern fehlt demnach eine sogenannte "Holding Six" in der Zentrale, deren Hauptaugenmerk auf der defensiven Stabilität liegt.

Sollten Tuchels Transferwünsche für den Sommer unerfüllt bleiben, so muss er sich vorerst mit jenen Spielern abfinden, denen er durch seine Vorstellungen das Vertrauen abspricht. Folglich könnte auch das Vertrauen der Mannschaft in den Trainer abnehmen.

Immerhin konnte Wunschspieler Harry Kane nach langem Tauziehen mit Tottenham Hotspur an die Säbener Straße gelotst werden. Ein Stürmer von Weltklasse-Format ging den Bayern seit dem Abgang von Robert Lewandowski zum FC Barcelona ab. Wie viel Eingewöhnungszeit die neue Nummer "9" des FC Bayern benötigt, bleibt indes abzuwarten.

Klar ist: Besagte Ergebniskrise muss wohl oder übel ausgemerzt werden. Sollte diese jedoch weiter anhalten, ist nicht auszuschließen, dass sich Christoph Freund am Tag X nach einem neuen Trainer umsehen muss.

Baustelle 2: Verkaufen oder Verlängern?

Baustelle 2: Verkaufen oder Verlängern?
Leroy Sane und Joshua Kimmich sind noch bis 2025 an Bayern München gebunden
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Zudem könnte Freund die vertragliche Situation zahlreicher Spieler im Kader wohl hin und wieder den Schlaf rauben. Mit einer gehörigen Portion Weitblick muss sich der Bayern-Sportdirektor in spe den Schicksalen von Joshua Kimmich, Leroy Sane, Alphonso Davies oder Mathys Tel annehmen.

Die Arbeitspapiere jener Akteure erreichen 2025 ihr Verfallsdatum. Ergo: Will man eine Situation wie damals bei David Alaba - der ÖFB-Star verließ die Münchner im Sommer 2021 ablösefrei in Richtung Real Madrid - vermeiden, besteht in naher Zukunft Handlungsbedarf.  

Entweder man trennt sich im nächsten Jahr von betroffenen Spielern und kassiert noch eine angemessene Ablösesumme oder man überzeugt diese, sich weiter an den Verein zu binden. Für Kimmich und Co. gäbe es definitiv einen Markt. Fragt sich nur, ob Freund das Risiko des Qualitätsverlustes eingeht und für schlagkräftigen Ersatz sorgen kann. Aus Salzburger Zeiten weiß man: Freund kann Umbrüche – bislang aber nur auf österreichischem Boden.

Auch bei Neuverpflichtungen muss Freund zukünftig seine Geschicklichkeit und ein richtiges Näschen beweisen. Aktuell ist noch unklar, wie die Bayern unter dem Salzburger ihre Transfer-Philosophie auslegen wollen. Transfers wie jener von Harry Kane, der zum ersten Mal in der Bundesliga-Geschichte die 100-Millionen-Euro-Marke durchbrach, sollen kein Usus in München sein. Das erfordert somit ein gut durchdachtes Handeln mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Darüber hinaus darf man gespannt sein, inwiefern der Salzburger seinen Ex-Klub als zukünftige Quelle neuer Spieler in Betracht zieht. "Ich werde sicher öfter hierher zurückkommen und Spiele verfolgen", sprach Freund nach seinem letzten Heimspiel in der Mozartstadt am vergangenen Sonntag gegen die Austria (2:0). Möglicherweise nicht nur zum Vergnügen.

 

Baustelle 3: Was wird aus Urgestein Müller?

Baustelle 3: Was wird aus Urgestein Müller?
Thomas Müller verkörpert den FC Bayern München wie kein anderer
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Noch dringender gestaltet sich die Lage beim bayrischen Aushängeschild Thomas Müller sowie bei Benjamin Pavard, deren Verträge nur bis 2024 datiert sind.

Müller prägte seit mehr als einer Dekade die Klubhistorie, hat aber aktuell an einem Problem zu knabbern.

Das Bayern-Urgestein fand sich in der vergangenen Saison häufiger auf der Bank wieder. In der neuen Saison ist derweil noch ungewiss, inwieweit der routinierte Angreifer eine gewichtige Rolle unter Trainer Thomas Tuchel einnehmen und eine Vertragsverlängerung noch von beiden Seiten angestrebt wird. Auch ein Karriereende 2024 soll bei Müller im Raum stehen.

Als lautstarkes Sprachrohr innerhalb des Klubs gehört der "Raumdeuter", wie Müller häufig genannt wird, fast schon zum Inventar der Bayern. Ob als Leader oder Motivator, der 33-Jährige geht voran und scheut sich nicht, die Probleme beim Namen zu nennen. 

Eine solche Identifikationsfigur zu ersetzen, ist wahrlich keine einfache Aufgabe. 

Der französische Abwehrmann Pavard liebäugelt hingegen schon seit Monaten mit einem Abgang aus München. Mit Manchester United und dem FC Liverpool stünden willige Abnehmer bereit. Eine erste Offerte von United wurde jedoch prompt abgelehnt.

Sollte der flexibel einsetzbare Defensivspieler abwandern, müsste sich Tuchel über die rechte Abwehrseite Gedanken machen, die Pavard zumeist unfreiwillig bearbeitete.

Die Wunschlösung trägt den Namen Kyle Walker. Der Profi von Manchester City tendiert aber scheinbar zu einem Verbleib auf der Insel. Eine Option, die bereits in deutschen Medien diskutiert wurde, ist die Rückversetzung von Kimmich aus dem Mittelfeld auf die Rechtsverteidigerposition.

Baustelle 4: Die Torwart-Thematik

Baustelle 4: Die Torwart-Thematik
Sven Ulreich soll Manuel Neuer bis zu dessen Rückkehr vertreten
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Auch hinter der Zukunft von Manuel Neuer stehen noch große Fragezeichen. Sein Arbeitspapier endet ebenso im kommenden Jahr.

Der 37-Jährige fehlt im Münchner Tor aufgrund eines Unterschenkelbruchs bereits seit Dezember 2022. Der einstige Welttorhüter könnte unterdessen bis Ende des Jahres ausfallen, erlitt im Kampf um sein Comeback unerwartete Rückschläge.

Im vergangenen Winter kompensierte man den Neuer-Ausfall mit der Verpflichtung von Yann Sommer. Der ehemalige Gladbacher beendete sein München-Abenteuer jedoch schlagartig, steht nach einem halben Jahr im Bayern-Kasten nun bei Inter Mailand zwischen den Pfosten.

Zudem hat sich auch Alexander Nübel auf gewisse Zeit verabschiedet. Der einst angedachte Neuer-Erbe ist die neue Nummer eins des VfB Stuttgart, zumindest leihweise für eine Saison. Nach einer zwei Jahre andauernden Leihe bei der AS Monaco zuvor wollte sich auch der 26-jährige Deutsche nicht den anfänglichen Plänen der Bayern aussetzen:

Beim amtierenden Meister soll Manuel Neuer auf lange Sicht wieder als Stammtorhüter zurückkehren. Für die Zeit, in der der erfahrene Keeper an seiner Rückkehr arbeitet, sollte ein Ersatz her. In den vergangenen Wochen wurde der etatmäßigen Nummer zwei, Sven Ulreich, nicht das geforderte Niveau attestiert. Es wurde ein Torhüter mit hohem Niveau gesucht, der sich aber ohne Widerrede hinten anstellt, sobald Neuer wieder einsatzfähig ist.

Die Fahndung verlief alles andere als gewünscht. Bei zahlreichen Kandidaten wie Kepa Arizzabalaga (an Real Madrid verliehen) oder Robert Sanchez (zum FC Chelsea gewechselt) ging man leer aus. 

Nun scheint Ulreich doch das ausgesteckte Profil zu erfüllen. Das soll eine Sitzung einer Transfer-Taskforce ergeben haben. Mit dem langjährigen Neuer-Vertreter geht man nun in die neue Saison. 

Früher oder später muss sich Christoph Freund als Kaderplaner aber der Torwart-Thematik annehmen. 

Ob Neuer je wieder zu seiner Weltklasse-Form zurückfinden kann, steht in den Sternen. Eine neue Nummer eins zu verpflichten, wird in den kommenden Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Agenda des Salzburgers landen. 

Baustelle 5: Wiederaufbau des "Mia san mia"

Baustelle 5: Wiederaufbau des "Mia san mia"
"Mia san Mia" - das Kredo des FC Bayern
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"Das 'Mia san Mia', diesen fast einzigartigen Zusammenhalt, diese Identifikation mit dem Klub, gibt es nicht mehr", postulierte Bayern-Legende Lothar Matthäus vor nicht allzu langer Zeit und trat damit ein im Anschluss heiß diskutiertes Thema los.

Die polarisierenden Aussagen des einstigen Weltfußballers fielen im Zusammenhang mit der unsanften Trennung von Julian Nagelsmann Ende März. Der ehemalige Bayern-Coach erfuhr erstmals durch die Medien von seinem Aus. Wenige Tage zuvor hatte Bayern-Präsident Herbert Hainer dem Taktikfuchs in einem Interview mit dem "kicker" noch den Rücken gestärkt.

"Einen Angestellten vor wenigen Tagen als Langzeitprojekt zu bezeichnen, um ihn dann zu feuern, finde ich nicht in Ordnung und hat auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun", befand Matthäus und ging mit seinem Ex-Klub, für den er 410 Spiele absolvierte, hart ins Gericht. Das "Mia san Mia" sei, "teilweise mit Füßen getreten" worden, hatte der Rekordnationalspieler geurteilt. Zeitgleich räumte der 62-Jährige aber auch Verständnis für die sportliche Entscheidung, sich von Nagelsmann zu trennen, ein.

Salihamidzic und Kahn mussten am Ende ihren Entschluss teuer bezahlen. Die hinterlassene verbrannte Erde mussten der einspringende Jan-Christian Dreesen und Konsorten aufkehren und für Ruhe sorgen.

Zukünftig hat auch Christoph Freund Aufgaben rund um die Wiederherrstellung der Klub-Identität zu verantworten. Sei es die richtigen Spieler zu verpflichten, die das "Mia san Mia" verkörpern wollen und können oder die scheinbar abhandengekommene Selbstverständlichkeit des Erfolges nach innen und außen zu tragen.

Das betrifft ebenso den Jugendbereich. Freund und Nachwuchsleiter Jochen Sauer stehen vor der Herausforderung, für die Integration talentierter Spieler aus dem Bayern-Campus in der A-Mannschaft zu sorgen.

Seit dem Durchbruch von David Alaba bei den Profis zur Saison 2011/12 konnte sich lediglich Jamal Musiala als ehemaliger Jugendspieler in der Kampfmannschaft der Bayern nachhaltig durchsetzen. 

Freund muss bei Bayern die "Ellenbogen ausfahren"

Bei Red Bull Salzburg hat Freund beinahe zwei Jahrzehnte an der Stabilität und Identität des Vereins gewerkt und hinterlässt – natürlich auch dank gutdurchdachter Investitionen – ein homogenes System.

Auf "Baumeister" Freund wartet bei den Bayern nun ein Projekt in weitaus größerer Dimension, bei dem aber auch die Chance besteht, sich im europäischen Spitzenfußball zu etablieren.

"Sky"-Experte und Ex-Bayern-Spieler Didi Hamann sieht Erfolgschancen für Freund, macht aber auch bewusst, welchen Ansatz der Salzburger in München wählen muss: "Er wird sein Profil schärfen müssen."

"Wenn du dich bei den Bayern durchsetzen willst, musst du gegenüber den Medienvertretern, gegenüber dem Aufsichtsrat und möglicherweise dem Vorstand die Ellenbogen ausfahren. Das ist etwas, was er bisher noch nicht machen musste. Ich traue es ihm zu. Es ist aber eine andere Aufgabe und Herausforderung (als in Salzburg, Anm.)", ist sich der 49-Jährige sicher. 

Tippe zur neuen Saison die Endtabelle der Deutschen Bundesliga:



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