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AC Milan: Ein Welt-Klub außer Dienst

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Jahrelang sonnte sich die AC Milan im Glanz ihrer Erfolge.

Kein Wunder, zählte der Verein doch zu den besten und erfolgreichsten der Welt.

Als „Klub mit den meisten internationalen Titeln weltweit“ rühmten sich Eigentümer Silvio Berlusconi und Geschäftsführer Adriano Galliani jahrelang, doch davon kann keine Rede mehr sein.

Milan ist nicht nur diesen Rekord los (al Ahly Kairo ist inzwischen die Nummer eins), sondern längst nur noch ein Schatten seiner selbst.

Vom einstigen Stammgast der Champions League ist in der Königsklasse nichts mehr zusehen, in dieser Saison droht sogar ein historischer Negativ-Rekord. In der Serie A kamen die Lombarden nicht über den enttäuschenden siebenten Platz hinaus und verpassten die Qualifikation für das internationale Geschäft.

Coppa Italia als letzter Strohhalm

Als letzter Strohhalm bleibt die Coppa Italia. Dort treffen die Rossoneri am Samstagabend (20:45 Uhr, LIVE bei LAOLA1.tv) im Stadio Olimpico zu Rom auf Serien-Meister Juventus Turin. Misslingt die Mission Cup-Sieg, müsste Milan zum dritten Mal en suite den Europacup als Zuschauer verfolgen.

Auch die titellose Durststrecke, die inzwischen fünf Jahre anhält, würde damit prolongiert. Umso wichtiger ist das Spiel daher für alle Beteiligten. Nach der erschreckend schwachen Vorstellung im letzten Liga-Spiel gegen die Roma (1:3) raschelte es im Blätterwald.

SaisonTrainerSerie ACoppaEuropacup|SaisonTrainerSerie ACoppaEuropacup
01/02AncelottiRang 4HFHF (UEFA-Cup)|09/10LeonardoRang 3VFAF (UCL)
02/03AncelottiRang 3SiegSieg (UCL)|10/11AllegriRang 1HFAF (UCL)
03/04AncelottiRang 1HFVF (UCL)|11/12AllegriRang 2HFVF (UCL)
04/05AncelottiRang 2VFF (UCL)|12/13AllegriRang 3VFAF (UCL)
05/06AncelottiRang 3VFHF (UCL)|13/14SeedorfRang 8VFAF (UCL
06/07AncelottiRang 4HFSieg (UCL)|14/15InzaghiRang 10VF-
07/08AncelottiRang 5AFAF (UCL)|15/16BrocchiRang 7mind. F-
08/09AncelottiRang 2AFR3 (UEL)|

„Ihr habt nicht die nötige Würde, ihr habt keine Eier“, schrie Interims-Trainer Cristiano Brocchi, der nach der Demission von Sinisa Mihajlovic vom Primavera- zum Chefcoach befördert wurde, in der Kabine.

„Die Roma hatte ein Freundschaftsspiel, sie haben ja nicht mal schwitzen müssen, um euch zu schlagen“, ließ er seinem Frust freien Lauf. In 20 Jahren im Profifußball habe er noch nie eine solche Truppe erlebt.

Der 40-Jährige hat kein leichtes Sein in der Mode-Metropole. Die Ansprüche sind nach wie vor riesig, die Lücke zur Wirklichkeit ist aber um nichts geringer. Milan ist Mittelständler in Italien, das ist bei einem Blick auf die Ergebnisse der letzten Jahre Fakt.

Milan seit Jahren in der Krise

Die Plätze sieben, zehn und acht in der Meisterschaft sind keine Momentaufnahme, sondern das Resultat jahrelanger Misswirtschaft und Fehlplanung. Vom Star-Ensemble, das noch vor wenigen Jahren Europa im Sturm eroberte, ist nichts mehr übrig.

Kein Wunder, dass sich immer mehr Fans vom Verein abwenden und selbst Klub-Legenden der Mannschaft ein fatales Zeugnis ausstellen. „Ich bin furchtbar enttäuscht von den Leistungen der Spieler. Da sind Leute dabei, die es nicht verdienen, das Milan-Trikot noch länger zu tragen“, rechnete Alessandro Costacurta mit seinen Nachfolgern ab.

Der heute 50-Jährige ist mit 618 Pflichtspiel-Einsätzen die Nummer zwei in der ewigen Bestenliste Milans hinter Paolo Maldini und eine von zahlreichen Legenden (siehe Diashow), die sich in den letzten 25 Jahren ihren Allerwertesten für den Verein aufgerissen haben.



Vom Erbe der „Invincibles“ – jener Mannschaft, die 1991/92 in der Meisterschaft ungeschlagen blieb – oder der goldenen Generation in den 2000er Jahren, als Kaka, Andrea Pirlo, Gennaro Gattuso, Alessandro Nesta sowie die Urgesteine Maldini und Costacurta zweimal die Champions League für sich entschieden , ist nur noch wenig übrig.

Die Erinnerungen an diese Zeiten leben zwar weiter, angesichts der seit Jahren währenden Krise verblassen sie aber zusehends. Die Forderungen nach einem Total-Umbruch nehmen zu, vor allem die Klubführung wird für die Misere verantwortlich gemacht.

Berlusconi als Feindbild der Fans

„Berlusconi raus“ oder „Galliani raus“-Rufe und –Plakate sind längst ständiger Begleiter bei Heimspielen, der Hashtag #SaveACMilan macht inzwischen auch schon seit mehr als einem Jahr die Runde. Geändert hat sich freilich wenig.

Im Gegenteil: Eingefleischte Fans gewinnen den Eindruck, man drehe sich im Kreis. Kein Wunder, gab es doch von Seiten Berlusconis zuletzt lediglich leere Versprechen. Ein Verkauf an „Mr. Bee“ Teachaubol galt als besiegelt, eine Einigung wurde bereits verkündet.

Über Monate hinweg zogen sich die Detail-Verhandlungen, bis letztlich der Deal platzte. Der thailändische Investor zog sich zurück, der erhoffte Aufschwung blieb aus. Für den Verein ein Schlag in die Magengrube.

Präsident Berlusconi kündigte an, den Etat seines seit Jahren defizitären Spielzeugs um rund 50 Millionen Euro zu kürzen, wie italienische Medien berichteten. Inzwischen gibt es einen neuen Hoffnungsträger.

SaisonGesamt-ZuschauerSchnittAusverkauft
2010/111.024.52153.9222
2011/12931.37249.0202
2012/13839.37844.1780
2013/14757.61539.8740
2014/15696.10736.6372
2015/16677.78735.6730

Jack Ma will Milan-Anteile erwerben

Eine Investorengruppe um Jack Ma, seines Zeichens reichster Chinese, bekundete Interesse, Gespräche über einen Verkauf – 720 Millionen Euro für 70 Prozent der Anteile werden kolporiert - sollen laufen. Der Haken an der Sache: Berlusconi ist zwar bereit, Anteile an seinem Klub abzugeben, stellt jedoch schwer erfüllbare Machtansprüche.

Mit dem Posten des Ehrenpräsidenten will sich der streitbare Ex-Ministerpräsident Italiens nicht zufrieden geben, der 79-Jährige beharrt darauf, weiterhin ein Mitspracherecht bei allen wichtigen Entscheidungen zu haben.

Das wiederum schreckt potenzielle Investoren ab, die den Klub von Grund auf umkrempeln und in eine neue Richtung lenken wollen.

Im Clinch mit den Fans liegt der Klub-Patron auch aufgrund des geplatzten Stadion-Neubaus. Nach monatelangen, zähen Verhandlungen bekam Tochter Barbara, die mit dem Projekt betraut war, den Zuschlag.

San Siro bleibt die Heimstätte

Eine 48.000 Zuschauer fassende Arena sollte auf dem Expo-Gelände sinnbildlich den Neuanfang der AC darstellen. Der Verein selbst veröffentlichte ein Video, das die neue Heimstätte veranschaulichen sollte.

Geplant war, San Siro 2018 den Rücken zu kehren. Doch wie so oft folgte die Kehrtwende – die mindestens genauso sinnbildlich für das Milan der letzten Jahre steht. Offiziell hieß es, der Cavaliere sei „zu verliebt“ in das alte Stadion und könne sich deshalb nicht davon trennen.

Dabei hatte man mit „Emirates“ einen mehr als potenten  Finanzier an der Angel, der bereit war, den Lombarden unter die Arme zu greifen. „Ich bin verliebt in San Siro und es wird noch schöner. Es gibt eine Menge Veränderungen auf der Haupttribüne, wir präparieren das Stadion für das Champions League Finale“, erklärte er.

Damit sei zwar ein Traum seiner Tochter geplatzt, „aber sie versteht, dass wir einen Schritt zurück gehen mussten.“ Die 31-Jährige, die gemeinsam mit dem nimmermüden Statthalter Galliani seit Jahren die Geschicke des Klubs lenkt, mag damit vielleicht einverstanden sein, die Fans sind es nicht.

Coppa-Sieg wäre nur ein Anfang

Ein Gros spricht sich mittlerweile für einen raschen Wechsel der Vereinsführung aus und sehnt einen neuen Besitzer herbei. „Wir sind seit fünf Jahren die Lachnummer im europäischen Fußball“, erklärte Edoardo Boriano, der auf der Jahreshauptversammlung als Aktionärs-Vertreter sprach, und fügte an: „Dieser Witz ist nicht mehr lustig.“

Ein erster Schritt in eine bessere Zukunft wäre der Gewinn der Coppa Italia. Im Endspiel gilt man gegen Serien-Meister Juventus zwar als klarer Außenseiter, doch die Hoffnung auf eine Überraschung, die mit dem Einzug in die Europa-League-Gruppenphase auch mehrere Millionen Euro in die leeren Klubkassen spülen würde, lebt.

„Einige der Spieler sind noch nie in einem Cup-Finale gestanden. Es könnte auch ihre einzige Chance bleiben“, hofft Brocchi, dass seine Mannen über sich hinauswachsen und eine weitgehend verkorkste Saison auf den letzten Drücker retten.

Auf lange Sicht wird das allerdings nicht reichen, um Milan wieder in ruhigeres Fahrwasser zu führen. Der 18-fache Meister braucht neue Kräfte am Ruder, vor allem aber frisches Geld, um national wieder mit Juventus oder der Roma mithalten zu können.

Berlusconi will, dass der Verein „in gute Hände kommt, die Milan eine großartige Zukunft garantieren“. Er sollte sich beeilen, denn aktuell leben die Rossoneri nur noch von ihrer ruhmreichen Vergangenheit.

Christoph Nister

 

Das Finale der Coppa Italia LIVE bei LAOLA1.tv - Samstag, 20:45 Uhr

DU BIST GEFRAGT: WÄHLE DEINE GRÖßTE MILAN-LEGENDE!


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