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"Das Financial Fair Play ist gescheitert"

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105 Millionen Euro für Paul Pogba. 90 Millionen Euro für Gonzalo Higuain. Der Transfersommer hatte es in sich.

„Das ist verrückt“, war noch eine der netteren Reaktionen.

Spätestens als die UEFA wenige Wochen danach eine Reform der Champions League präsentierte, welche Großklubs bevorzugt, fragten sich viele Fußballfans: „Geht der Fußball an der Geldgier zugrunde?“

Eine brisante Frage, die allzu gern emotional diskutiert wird. LAOLA1 lässt die Frage einmal nüchtern aus wirtschaftlicher Sicht analysieren und sprach mit Harald Oberhofer. Er ist Professor für empirische Wirtschaftsforschung an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO).

Im Interview erklärt er, warum die Entwicklung am Transfermarkt vorhersehbar war, warum die Premier League die anderen Ligen unter Druck setzt, Motive für die CL-Reform und die mögliche Super League, warum das Financial Fair Play gescheitert ist und warum Schuldenberge in Europas Top-Ligen nicht besorgniserregend sind.

LAOLA1: Die Transfersummen von Pogba und Higuian sorgten im Sommer für Aufsehen. Wie beurteilen Sie die Transfers aus wirtschaftlicher Sicht?

Harald Oberhofer: Solche Rekordtransfers gab es schon immer. Maradona wechselte 1982 von den Boca Juniors für acht Millionen Euro zu Barcelona, zwei Jahre später für 13 Millionen Euro zu Napoli. Das waren für die damalige Zeit auch Summen, die sich keiner vorstellen konnte. Die Dimensionen werden immer größer, weil der Fußballmarkt wächst. Die Umsätze, die Volumen, die Transaktionen, die Ein- und Ausgaben der Vereine steigen. Deshalb war es nur eine Frage der Zeit, bis Bales Rekord abgelöst wird.

 

LAOLA1: Kokettiert Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge deshalb mit der Super League?

Oberhofer: Die Super League würde genau diese Ausgeglichenheit bringen. Gleichwertige Mannschaften wären im selben Geldtopf. Für alle wäre die Nachfrage groß.  Da könnte Bayern viel Geld lukrieren. Aufgrund dieses Drucks der Großklubs hat die UEFA die Reform der Champions League gemacht. Das war eine erzwungene Maßnahme. Speziell die Nicht-PL-Vereine brauchen einfach die Einnahmen aus der Champions League, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

LAOLA1: Ist die Super League trotzdem nur noch eine Frage der Zeit?

Oberhofer: Die Frage wird sein, ob den Vereinen die CL-Reform reicht oder werden sie irgendwann sagen: „Nein, die UEFA gibt uns noch zu wenig. Wir machen unser Marketing selbst und können finanziell noch besser dastehen.“ Wenn sich die 20 Großklubs einig wären, würde die Nachfrage sofort dorthin wechseln. Die Champions League könnte man dann im Grunde einstellen.

LAOLA1: Wie sehr ist die UEFA von den Großklubs abhängig?

Oberhofer: Der höchste Titel ist ein Produkt der UEFA und im Fußball ist Tradition immer wichtig. Aber alle Topklubs zusammen haben eine sehr starke Verhandlungsmacht. Wenn nur zehn Vereine weggehen, wird es für diese schwierig, ein Alternativprogramm aufzubauen. Es ähnelt der Debatte um die Weltmeisterschaft in Russland. Wenn Europa geschlossen nicht antritt, wäre das ein Fiasko. Das ist der große Fußballmarkt. Ein Weltmeister aus einem europalosen Turnier hätte sportlich keinen Wert.

LAOLA1: Eine mögliche Super League soll auch Klubs aus China und den USA beinhalten. Aus wirtschaftlicher Sicht verständlich, aber sportlich nicht rechtfertigbar. Tritt der sportliche Gedanke immer mehr in den Hintergrund?

Oberhofer: Das ist auch bei großen Sportveranstaltungen beobachtbar. IOC, FIFA und UEFA sind nicht kommerzielle Vereine, denken aber extrem gewinnorientiert. Wir gehen mit Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften dorthin, wo der Markt noch wachsen kann. Dort leben eine Milliarde Leute, die müssen wir für uns begeistern und damit können wir alles rechtfertigen. Sportlich wäre so eine Zusammensetzung der Super League aber komplett uninteressant. Auf Dauer wird diese chinesische Mannschaft wahrscheinlich eine Söldnertruppe. Wenn nicht, wird diese Mannschaft nicht wettbewerbsfähig sein. Das Argument, dass die Spiele spannender werden sollen, zieht dann nicht mehr. Der bessere Weg wäre, den internationalen Turnieren im Sommer mehr Platz zu geben. Da bekommen die Topklubs ihre Einnahmen und steigern in diesen Märkten ihre Bekanntheit.

LAOLA1: Welche Auswirkungen haben die angedachten Reformen auf die kleineren Klubs und Ligen?

Oberhofer: Die UEFA sollte an ihnen interessiert sein. Großklubs können sich aber besser durchsetzen. Wenige Großklubs können sich viel besser koordinieren als viele kleine Teams, die viel heterogener sind und unterschiedliche Ziele verfolgen. Das ist politisch viel schwerer umzusetzen. Insgesamt geht die Globalisierung im Fußball in die Richtung, dass kleine Ligen und Vereine immer bedeutungsloser werden. Das zeigt auch die Geschichte. 1995 hat Ajax Amsterdam noch die Champions League gewonnen, heuer hat es sich nicht einmal qualifiziert. Für Spieler sind diese Märkte nicht attraktiv.

LAOLA1: Das Financial Fair Play (FFP) der UEFA hatte zum Ziel, die uferlosen Ausgaben einzuschränken. Wie sieht ihre Bilanz aus?

Oberhofer: Es ist gescheitert. Eine Studie der TU München zeigt, dass eher Reiche reicher und Arme ärmer geworden sind. Es macht im Fußballmarkt keinen Sinn, da gibt es Klubs mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen. Nehmen wir die TV-Gelder in den großen europäischen Ligen. In Spanien verhandeln die großen Vereine ihre Fernsehrechte einzeln. Den kleinen Teams bleiben nur die Peanuts. Der FC Bayern ist mit dem Verteilungsschlüssel in Deutschland immer unglücklich. Im Vergleich zur Premier League verteilt dieser aber deutlich niedrigere Summen um. Die Regel „Einnahmen sind gleich Ausgaben“ funktioniert hier nicht, weil das Einnahmenpotential ganz anders ist. Angenommen, Real Madrid und Barcelona brauchen mehr Einnahmen, um das FFP zu erfüllen. Dann werden sie härter um Fernsehrechte verhandeln, mehr auf Tournee fahren und sich zusätzliche Sponsoren holen. Das können aber nicht alle. Zudem bewirkt das FFP, dass sich kleinere Vereine nicht verschulden können. Für Unternehmen in der Anfangsphase ist es aber typisch, ein bisschen Risiko einzugehen, um zu wachsen und Einnahmen zu lukrieren.

LAOLA1: Die enormen Schuldenstände der spanischen oder englischen Klubs werden regelmäßig kritisiert. Besteht die Gefahr einer Schuldenblase?

Oberhofer: Wir sprechen im Fußball zunehmend von Unternehmen und nicht mehr von Vereinen. Und für alle Unternehmen, unabhängig ob sie im Sportbereich tätig sind oder woanders, erfüllt Schuldenmachen eine wichtige ökonomische Rolle, nämlich das Investieren in Zukunft, das Eingehen von gewissen Risiken, um Erträge zu erwirtschaften. „Ich habe eine wertvolle Idee. Liebe Bank, ich brauche Geld, um zu schauen, was möglich ist.“ So funktioniert das Standardverhältnis zwischen Bank und Unternehmen. Die andere Frage ist, ob man Investitionen mit Eigen- oder Fremdkapital tätigt. Wenn ein Fußballverein an Gewinnmaximierung denkt, hat er natürlich das Ziel, nur die Steuern zu zahlen, die er gesetzlich muss. In den meisten Steuersystemen ist Fremdkapital von den Gewinnen absetzbar. Wenn ich dadurch weniger Gewinnsteuern zahlen muss, führt das dazu, dass ich mich tendenziell überschulde.




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