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Kommentar: Schwere Zeiten für Provokateure

Kommentar: Schwere Zeiten für Provokateure Foto: © GEPA

Nö, leider sind wir noch nicht Europameister.

Ehrlicherweise könnte man sogar den Eindruck bekommen, dass die Grundstimmung rund um das österreichische Nationalteam bei aller berechtigten Euphorie angesichts eines Siegs im Prestige-Duell mit Deutschland eine halbwegs realistische ist.

Und das ist gut so.

Sicher wäre es verlockend, freche Kampfansagen rauszujagen und das ÖFB-Team möglichst laut und populistisch zumindest in die Geheimfavoriten-Rolle bei der EURO zu trommeln.

Nur: Was bringt’s?!

Außer einem eventuell guten Spruch oder einer billigen Schlagzeile gewinnt man damit mittelfristig leider wenig.

Langweilig? Mag sein. Trotzdem wäre es fein, wenn es weiterhin schwere Zeiten für Provokateure bleiben.

Ein cleveres Mittelding

Fußball-Österreich sollte nämlich aus den vergangenen beiden EM-Teilnahmen gelernt haben, wie man es nicht macht – und zwar in beide Richtungen.

Was zu extreme Euphorie betrifft, erinnerte Marcel Sabitzer nach dem Deutschland-Spiel wohl nicht ganz zufällig bei erstbester Gelegenheit daran, dass man selbige vor der EURO 2016 hatte und damit auch "extrem auf die Schnauze gefallen" sei.

Vor der EURO 2021 wiederum war nicht nur ÖFB-intern die Stimmung nicht die allerbeste, sondern auch im Umfeld denkbar negativ. Diesmal schaffte man aus der machbaren Gruppe heraus und zwang den späteren Europameister Italien im Achtelfinale in die Verlängerung.

Was mit einer positiveren Grundstimmung und mehr spürbaren Rückhalt in der Bevölkerung möglich gewesen wäre, bleibt für immer Spekulation. Fakt ist allerdings auch, dass auch nach einem Turnier weiter Fußball gespielt wird - die Implosion in den Monaten nach der EM kam angesichts der Gemengelage nicht allzu überraschend.

Der Wunsch war, diesmal ein cleveres Mittelding aus 2016 und 2021 zu finden (man könnte es auch – Achtung, abermals Langeweile - Normalität nennen) und diesbezüglich bleibt das Nationalteam auf einem guten Weg.

Eine moderierte Euphorie

Dass Spieler, Trainer und Staff unter der Anleitung von Ralf Rangnick wieder eine Einheit bilden, lässt sich immer wieder gut beobachten – der Teamchef widmet dem Thema Teambuilding auch fraglos mehr Zeit als so mancher seiner Vorgänger.

Diesen Status quo gilt es unbedingt bis zum Turnier zu konservieren, denn er ist die Basis, warum hier gerne jeder für jeden rennt und weshalb Österreich jene Energie und Emotionalität aufbringen kann, die der DFB gerade verzweifelt sucht.

Kommen wir zur Euphorie. Dies ist nur ein vermeintlich schwieriges Thema. Denn selbstverständlich ist Euphorie in der Öffentlichkeit willkommen. So gesehen kann sie gerne noch steigen. Rangnick wünscht sich nicht umsonst, dass "ganz Österreich am liebsten sogar mitspielen würde."

Es wäre halt nur praktisch, wenn sie begleitend sinnvoll moderiert wird.

Euphorie heißt nämlich nicht, dass man glauben muss, alles außer dem EM-Titel wäre eine Enttäuschung und dass sich die übrigen Teilnehmer nur den zweiten Platz im Finale neben Fixstarter Österreich ausspielen.

2016 entwickelte sich zudem eine Art blinde Euphorie, in der man für Kritik kaum mehr empfänglich war, obwohl man beobachten konnte, dass nicht mehr alles rund lief. Der Grundtenor war, dass man dann schon den Schalter umlegen könne, wenn es in die Pflichtspiele ging. Konnte man nicht.

Seit damals wissen wir, dass auch im halben Jahr vor einer EURO einiges schief gehen kann.

Manöverkritik - auch im Moment des Jubels

Besagte Moderation betreffend ist die Sorge derzeit so gering wie schon lange nicht. Rangnick sollte die Garantie dafür sein, dass man sich etwaigen Problemen auch stellt. Der 65-Jährige ist nicht gerade bekannt dafür, dass er die Harmonie gar nicht stört, nur weil sich gerade alle so lieb freuen.

@laola1 Wie sieht euer Resümee zum ÖFB-Team im Jahr 2023 nach dem gestrigen 2:0-Sieg gegen Deutschland aus? 🇦🇹⚽️🧐 #laola1 #l1 #wirlebensport #fußball #testspiel #oefb #deutschland #österreich #mixedzone #resümee #interview ♬ Originalton - Laola1.at das Sportportal

Auf der Pressekonferenz nach dem Sieg gegen Deutschland freute er sich zwar fast schon diebisch, dass es nicht so viele Nationalmannschaften geben würde, die "nach einem Spiel so eine Atmosphäre in der Kabine kreieren" würden.

Und die Stimmung war tatsächlich hörbar so gut, dass nun vielleicht eine neue Generation den Fendrich-Klassiker "Strada del Sole" kennenlernt.

Gleichzeitig sollte nicht unerwähnt bleiben, dass Rangnick in selbiger Kabine schon auch Manöverkritik übte und seine Spieler verinnerlichten es auch.

Kaum einer, der nicht erwähnte, dass man speziell in Überzahl so manche Gelegenheit besser hätte ausspielen müssen. Christoph Baumgartner ärgerte sich etwa ziemlich, dass er bei einer Zwei-gegen-Eins-Situation mit seinem Pass an Antonio Rüdiger hängen blieb:

"Der muss einfach bei Konni ankommen. Bei der EM kriegen wir vielleicht nicht so viele solcher Situationen, also müssen wir sie auch nützen."

Dies nur als Beispiel. Ohne den Hinweis, dass man zwar defensiv wenig bis gar nichts zugelassen hat, aber offensiv mehr drinnen war, kam kaum jemand aus.

Hunger statt Selbstzufriedenheit

Generell hat diese Mannschaft selbstverständlich noch ausreichend Themen, in denen sie sich weiter steigern kann. Sie vermittelt auch den Eindruck, dass sie das weiß.

Hunger statt Selbstzufriedenheit. Es ist wichtig, dies zu bewahren.

Und wäre es nicht eigentlich typisch Österreichisch, nach einem Sieg gegen Deutschland bei Kritik beide Ohren auf Durchzug zu stellen oder von Majestätsbeleidigung zu sprechen, falls doch etwas zwischen den Ohren ankommt?

Nur so nebenbei: So lange ist der letzte Testspiel-Sieg gegen Deutschland nicht her (Juni 2018). Wenn man die folgende Phase höflich beschreiben möchte, war sie kein Selbstläufer, auch wenn man rund ein Jahr später während der Quali für die EM noch rechtzeitig den Turnaround geschafft hat.

Wie auch immer: Es wäre zu schön, wenn es Fußball-Österreich im dritten EM-Versuch in Folge gelingt, die vergangenen Fehler zu vermeiden.

Die Ausgangslage ist gut, aber alle Beteiligten müssen kritisch-wachsam bleiben, ohne zu riskieren, dass der "verschworene Haufen" plötzlich nicht mehr so verschworen ist.

Worum es geht, werde ich bis zur EURO vielleicht noch ein Dutzend mal aufschreiben, aber es ist nun mal das legitime Ziel:

Es ist höchste Zeit für den ersten Sieg in einem K.o.-Spiel bei einem Turnier seit 1954. Gelingt er, schauma weiter.

@laola1 Kurz nach der Halbzeitpause beim Stand von 1:0 für 🇦🇹 geraten Philipp Mwene und Leroy Sané aneinander, wobei dem Bayern Star die Sicherungen durchbrennen und er nach einer Tätigkeit mit glatt Rot vom Platz gestellt wird! 😳🟥 Mittlerweile hat sich der Deutsche bei seiner Mannschaft und den Fans für den Aussetzer entschuldigt.🫣 Wie beurteilt ihr die mitunter spielentscheidende Szene? 🤔⚽️ #laola1 #l1 #wirlebensport #fußball #testspiel #oefb #deutschland #österreich #mixedzone #leroysane #philippmwene #platzverweis #interview ♬ Originalton - Laola1.at das Sportportal


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