Man darf und muss mehr erwarten
Zu kritisieren gibt es nach der Darbietung in Zenica einiges. In diversen Facetten des Spiels agierte Österreich nicht auf jenem Niveau, das man von dieser Mannschaft erwarten darf.
"Zu einfache Ballverluste, zu wenig gute Kombinationen, es war alles ein bisschen hektisch", moniert Torhüter Heinz Lindner, der das Goldtor von Edin Dzeko für nicht unhaltbar hielt.
Die letzten beiden Spiele unter Ex-Teamchef Marcel Koller miteingerechnet, hat die ÖFB-Elf acht ihrer letzten neun Spiele gewonnen, womit man das Tief bei der EURO 2016 und in der WM-Quali für überwunden hielt.
"Wir waren zuletzt anderes gewöhnt", meint auch Stefan Ilsanker, "wir haben die letzten neun Partien mit Ausnahme Brasilien alle sehr gut bestritten - mir einer Spielfreude und klaren Ausrichtung, die man in jedem Spiel gesehen hat. Wir waren giftig. Das hat uns diesmal leider gefehlt."
Zweikampfstärke vermissen lassen
"In solchen Stadien, in solchen Ländern und gegen solche Teams bestehst du nur, wenn du die Oberhand in den Zweikämpfen hast. Die haben wir vermissen lassen."
"Ich glaube, das nächste Mal gibt es eine lange Videoanalyse, da gibt es einiges zu verbessern. Das war eine Lehrstunde und keine Eigenwerbung - allerdings keine Lehrstunde von den Bosniern, sondern eine Lehrstunde, wie wir es am besten nicht mehr machen sollten."
Fehlende Giftigkeit. Auch Prödl argumentiert in diese Richtung: "Ich glaube, es hat einen einfachen Grund, warum wir nicht so gut waren, wie wir sein können - und diesbezüglich haben wir uns die Messlatte sehr hoch gelegt: In solchen Stadien, in solchen Ländern und gegen solche Teams bestehst du nur, wenn du die Oberhand in den Zweikämpfen hast. Die haben wir vermissen lassen. Das war nur in über kurze Strecken des Spiels der Fall - in den ersten 20 Minuten beziehungsweise in den 20 Minuten vor dem Gegentor. Da haben wir so gespielt, dass wir die Hoffnung hatten, das Spiel gewinnen zu können. In der restlichen Spielzeit war das nicht der Fall."
Gerade nach der überlegenen Startphase habe man "von 0 auf 100 den Faden verloren, die Zweikämpfe verloren, die Linie und die Richtung verloren."
Marko Arnautovic sprach nach der Partie an, dass jeder einmal einen schlechten Tag haben könne. Für das ÖFB-Team war es ein denkbar schlechtes Timing, aber so etwas passiert.
Eine Frage der Cleverness
Die Frage ist nur, ob ein schlechter Tag zwingend in einer Niederlage enden muss. Auch Ilsanker stellt sie sich: "Ich sage einmal, wenn man sich nicht die Chancen herausspielt, um ein Spiel zu gewinnen, dann sollte man es zumindest nicht verlieren."
Dies ist wohl auch eine Frage der Cleverness. Es ist gut, dass in der ÖFB-DNA inzwischen seit längerer Zeit der unbedingte Wille zum Sieg verankert ist, dies hat in so mancher nicht so guten Partie geholfen.
Es gibt aber auch Begegnungen, nach denen man im Rückspiegel selbst der Meinung war, dass es schlauer gewesen wäre, ein dreckiges Unentschieden mitzunehmen. Etwa beim EURO-Auftakt, als man sich durch die Niederlage gegen Ungarn im direkten Vergleich mit dem Nachbarn in eine äußerst ungünstige Lage brachte. Oder auch beim 2:3 in Serbien in der folgenden WM-Quali, als man zwei Mal den Ausgleich erzielte, sich mit dem Punkt nicht begnügen wollte und noch verlor.
"Auch diesen Punkt gilt es anzusprechen", findet Prödl, "wenn der Tag nicht so gut läuft, und das haben wir in der ersten Halbzeit irgendwo auch gemerkt, dass man das ein bisschen cleverer spielt, dass wir dann mal so einen Ballgewinn haben und die auskontern."
Eine lange Videoanalyse
Wie es nach diesem Bosnien-Trip grundsätzlich einiges anzusprechen gibt. "Ich glaube, das nächste Mal gibt es eine lange Videoanalyse, da gibt es einiges zu verbessern. Wir können auch einiges rausnehmen aus den letzten Wochen und Monaten, was uns Mut und Zuversicht für die Zukunft gibt, aber das war eine Lehrstunde und keine Eigenwerbung - allerdings keine Lehrstunde von den Bosniern, sondern eine Lehrstunde, wie wir es am besten nicht mehr machen sollten."
Schon am Donnerstag gegen Schweden lieferte Österreich trotz des Siegs keine restlos zufriedenstellende Leistung ab. Nun gilt es nach zehn Monaten der Zusammenarbeit mt Foda den ersten richtigen Rückschlag zu verdauen.
Prödl: "Wir haben gewusst, das sind Freundschaftsspiele und dass es in dieser Partie um mehr geht. Das war ein Auswärtsspiel, die meisten Freunschaftsspiele haben wir daheim gespielt und positiv gestaltet."
Kaum Tests in der Fremde
Der Hinweis auf die Auswärtsspiele ist ein relativ interessanter Punkt. Der ÖFB-Kader ist gefüllt mit Spielern, die wesentlich größere Fußball-Bühnen als das Bilino-Polje-Stadion in Zenica gewöhnt sind. Dass Österreich abseits von Pflichtspielen eher selten auswärts gastiert und so die Erfahrungswerte auf Nationalteam-Ebene eher gering sind, ist und bleibt jedoch ein Fakt:
Auswärts-Testspiele im Jahr 2015: Null
Auswärts-Testspiele im Jahr 2016: Null
Auswärts-Testspiele im Jahr 2017: Null
2018 probte man im Frühjahr immerhin in Luxemburg, wobei das keine Einstimmung auf die Atmosphäre in Bosnien war. Im Oktober legt man in Dänemark gar ein zweites Freundschaftsspiel in der Fremde nach.
Vor dem Luxemburg-Test ging das letzte Testspiel außerhalb der österreichischen Landesgrenzen im Juni 2014 in Tschechien über die Bühne, das ÖFB-Team siegte 2:1. Seither absolvierte Österreich übrigens 15 Heimspiele in aller Freundschaft. Die Relation stimmt nicht wirklich.
Das Selbstvertrauen (trotzdem) konservieren
Gute Nachricht: Das nächste Nations-League-Spiel findet zu Hause statt. Im Oktober heißt es gegen Nordirland wieder aufzustehen. Geht dies so einfach nach einem Rückschlag?
Lindner: "Es muss gehen! Wir sind Sportler, Profifußballer. Jeder von uns hat schon Niederlagen eingesteckt und jeder von uns weiß, wie man damit umgeht. Ich bin überzeugt, wir können es besser. Das haben wir schon oft bewiesen. Jetzt müssen wir es nur wieder auf den Platz bringen. Ich bin auch überzeugt, das geht in Wien vor den eigenen Fans leichter als hier."
Dass es das Nationalteam besser kann, steht außer Frage. Dementsprechend gilt es nun den richtigen Mix aus Kritik beziehungsweise Konservierung des Selbstbewusstsein zu finden. Auch wenn es genügend zu besprechen gibt, betont Prödl sehr wohl:
"Es ist noch nichts verloren! Deswegen die ganze Euphorie oder unser Selbstvertrauen zu verschenken, wäre auch vermessen. Das gilt nicht nur für uns Spieler, sondern auch für die Hoffnung, die in Österreich vorhanden ist, dass wir uns wieder für ein Turnier qualifizieren. Also bitte nicht nur wegen einer Niederlage und eines nicht so guten Auftritts den Kopf in den Sand stecken. Denn eines haben wir auch gesehen: Die Bosnier sind auch nicht besser als wir."