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Stimmung? "Nicht schlechter, sondern anders"

Stimmung? "Nicht schlechter, sondern anders" Foto: © GEPA

Mit seinem Hinweis auf die mutmaßlich schlechte Stimmung im Nationalteam und seiner Befürchtung einer Explosion während der EURO hat Marc Janko fraglos für eines der bisherigen Gesprächsthemen der rot-weiß-roten EM-Vorbereitung gesorgt.

Auf der anderen Seite präsentiert sich das ÖFB-Team bislang als fokussierte Einheit. Dem allseits als gelungenen bewerteten Camp in Bad Tatzmannsdorf folgte in England trotz 0:1-Niederlage ein leistungstechnischer Fortschritt.

Julian Baumgartlinger spielte viele Jahre lang an der Seite von Janko im Nationalteam, darunter am Weg zur und bei der EURO 2016. Ob die Stimmung jetzt schlechter sei als 2016?

"Die Stimmung ist nicht schlechter, die Stimmung ist anders", erläutert der ÖFB-Kapitän, gesteht seinem langjährigen Weggefährten jedoch seine Ferndiagnose zu:

"Es ist sein gutes Recht, seine Meinung öffentlich kundzutun. Er hat jahrelang in der Mannschaft gespielt. Er sieht vielleicht Sachen aus dem Spiel heraus oder interpretiert sie. Dass nach einem 0:4 gegen Dänemark die Stimmung nicht gut sein kann, ist kein großes Geheimnis. Trotzdem sehe ich das jetzt anders, weil wir versuchen, in Richtung EM alles in eine positive Bahn zu lenken. Da sind wir auf einem sehr guten Weg."

Demonstrativ positiv

(Text wird unter dem Video fortgesetzt)

"Wir sitzen momentan lange und viel zusammen und versuchen die Zeit zu nutzen. Es entsteht schon wieder so ein Spirit wie 2016 vor der EM"

Julian Baumgartlinger

Baumgartlinger verpasste den verkorksten März-Lehrgang wegen seiner Kreuzband-Verletzung. Man darf annehmen, dass das Thema Athmosphäre vor dem Einrücken ins Camp ganz weit oben auf der Agenda des Kapitäns stand.

Der Routinier, der sich Schritt für Schritt für ein Comeback in der Startelf empfehlen will, wird derzeit allseits für seinen Wert abseits des Platzes gelobt. Er tritt auch demonstrativ positiv auf.

Baumgartlinger wiederum lobt den klimatechnischen Ist-Zustand: "Als wir uns in Bad Tatzmannsdorf getroffen haben, hat man richtig gespürt, wie die positive Energie da war."

Man habe das Camp mit einem schönen Mannschaftsabend eingeleitet. Die Vorfreude auf das Turnier sei von Beginn an da gewesen und auch nach wie vor spürbar.

Kurzweiliger als 2016

"Wir sitzen momentan lange und viel zusammen und versuchen die Zeit zu nutzen. Es entsteht schon wieder so ein Spirit wie 2016 vor der EM", findet Baumgartlinger.

Damals präsentierte sich das ÖFB-Team als liebe Familie. Im entscheidenden Moment konnte man nach überragender Qualifikation beim Turnier in Frankreich jedoch nicht liefern, was angesichts der Euphorie im Vorfeld ein gewaltiger Stimmungskiller war.

Diesmal möchte man es anders herum machen. Mit zu großer Erwartungshaltung oder Euphorie in der Öffentlichkeit ist man diesmal jedenfalls nicht konfrontiert.

Auch ansonsten fühlt es sich derzeit anders an als 2016, auch für Baumgartlinger:

"Mir kommt es gerade so vor, als sei es kurzweiliger als 2016. Die Tage verrinnen. Wir haben jetzt schon das zweite Quartier bezogen, und dann geht es schon nach Seefeld. Die EM steht praktisch schon vor der Tür, und es fühlt sich ganz gut an, dass es momentan schnell geht."

Auch diesmal gibt es Sorgenkinder

Möglicherweise schärft es auch die Sinne, dass das ÖFB-Team derzeit eher kritisch beäugt wird. Einen schwierigen Probelauf in der Fremde einzuschieben, war vermutlich auch keine schlechte Idee.

"Ich glaube, es hat uns ganz gut getan, dass wir mit England auswärts einen starken Gegner hatten. 2016 war es vielleicht auch das Trügerische, dass wir im Test gegen Malta kein wirklich gutes Spiel über 90 Minuten gemacht haben. Wir haben zwar gewonnen, aber im Endeffekt war nicht jeder happy. Dann ging es gege die Niederlande, die zwar gut waren, aber nicht für die EM qualifiziert", erinnert sich der 33-Jährige.

Relativ ähnlich zu 2016 seien personelle Fragen: "Wir hatten damals auch ein paar Spieler, die noch nicht ganz bei 100 Prozent waren, weil sie aus Verletzungen gekommen sind oder wenig Spielpraxis hatten."

Anders als vor fünf Jahren, als sich der zentrale Mittelfeldspieler als einer der wenigen ÖFB-Kicker bei der EM in Normalform präsentierte, zählt der Leverkusen-Legionär diesmal selbst zu den Sorgenkindern. Auch bei Marko Arnautovic ist noch unklar, ob er rechtzeitig in Schuss kommt.

Akteure wie Bachmann, Friedl oder Kalajdzic ein gutes Zeichen

Teamchef Marcel Koller versuchte es damals beim EM-Auftakt trotzdem mit der Stammelf, was beim 0:2 gegen Ungarn nicht funktionierte.

Ob es ein Problem sei, dass man diesmal noch an der Startformation basteln würde? "Nur, wenn wir es zum Problem werden lassen", kontert Baumgartlinger.

Seiner Meinung nach seien Akteure wie Daniel Bachmann, der in England sein Debüt im ÖFB-Tor gefeiert hat, oder Marco Friedl ein gutes Zeichen.

"Auch bei Sasa Kalajdzic vergisst man immer wieder, dass er noch nicht so lange bei uns dabei ist. Aus der positiven Sicht der Dinge zeigt das, wie breit unser Kader ist und wie gut wir eigentlich mit einer Mannschaft auftreten, die noch nicht so oft zusammengespielt hat. Ich würde es eher als Stärke des Kaders ansehen, dass wir ein bisschen variabler sind."

Nicht den Faden verlieren

Noch habe man zehn Tage, um sich weiterzuentwickeln und dabei auch die Erkenntnisse des Tests in England einfließen zu lassen.

Baumgartlinger sah ein Spiel mit - offensiv wie defensiv - guten Phasen, aber auch mit Phasen, in denen Österreich den Faden verloren habe:

"Natürlich ist es auch eine Lehre aus dem Spiel zu wissen, dass bei der EM der eine oder andere mindestens ebenbürtige Gegner kommen wird. Man muss darauf gefasst sein, dass eine Mannschaft mit solch einem Speed, solch einer Wucht kommt, lange Bälle spielt, so wie es die Engländer gemacht haben. Das musst du dann auch zu Ende verteidigen. Gegen Harry Kane oder Außenspieler mit diesem Tempo ist das gar nicht so einfach. Das war auch im Spiel ein Entwicklungsprozess."

Respekt vor der Slowakei

Der nächste Schritt für das ÖFB-Team ist, am Sonntag gegen die Slowakei bei der EURO-Generalprobe eine gute Figur abzuliefern.

"Die Slowakei ist eine sehr gute Mannschaft. Wenn man sich die Einzelspieler anschaut, kommt eine sehr gute Truppe auf uns zu, auch wenn sie vielleicht nicht am Peak sind wie noch vor ein paar Jahren. Trotzdem ist es ein sehr starker Gegner, den wir absolut respektieren. Da müssen wir uns erst einmal wehren", fordert Baumgartlinger.

Ein - im Idealfall überzeugender - Sieg wäre der nächste Schritt, es besser als 2016 zu machen. Und tendenziell auch förderlich für die Stimmung.

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