"Wir müssen die Entwicklung so schnell wie möglich sichtbar zu machen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber im Profifußball haben wir auch nicht Jahre Zeit."
Kassai: Einer, der anpackt
In der abgelaufenen Saison gab es gefühlt mehr umstrittene Entscheidungen denn je. Der ÖFB sah sich also zum Handeln gezwungen. Denn rasch war klar: So kann es nicht weitergehen, Österreich hinkt im internationalen Vergleich mehr als nur hinterher.
Schon seit einer Ewigkeit hatte Österreich keinen Schiedsrichter mehr bei einer Großveranstaltung. Der letzte war Konrad Plautz bei der Heim-EM 2008. Seither: Flaute. Deshalb will Kassai direkt anpacken, wie er sagt.
"Ich glaube, es ist ganz wichtig, den Schiedsrichtern in Österreich zu helfen. Sie sind wie eine Nationalmannschaft", zieht er auch selbst ungewollt einen Vergleich zu Rangnick. Kassai agiert künftig also als eine Art "Teamchef" der heimischen Unparteiischen.
Und wie das, um bei dem Vergleich zu bleiben, bei einer Nationalmannschaft so ist, muss man mit dem arbeiten, was einem an Personal zur Verfügung steht. Das weiß auch Kassai. "Wir können keine Transfers machen, deshalb müssen wir die Schiedsrichter entwickeln", meint er.
Das Ziel sei es, die rot-weiß-rote Schiedsrichter-Garde "Schritt für Schritt" weiterzuentwickeln. "Ich lebe seit 30 Jahren als Schiedsrichter, deswegen weiß ich, was ein Top-Schiedsrichter braucht", so der Ungar.
Die Professionalisierung des heimischen Schiedsrichterwesens soll unter seiner Führung möglichst rasch voranschreiten, ehe man den internationalen Anschluss ganz zu verlieren droht. Er wolle den von ihm verantworteten Bereich "hinsichtlich Coaching, Struktur und Schulungen" weiterentwickeln.
Dafür sollen auch "Spezialisten" hinzugezogen werden, verlautbart der 47-Jährige. "Die werden wir in verschiedenen Bereichen brauchen. Sei es physisch, mental oder psychisch", erklärt Kassai.
"In der Bundesliga ist sogar der Zeugwart beim Verein angestellt und die Schiedsrichter, welche die wichtigsten Entscheidungen treffen, haben nach wie vor Amateur- oder Halbprofistatus."
Wichtig sei, die Entwicklung "so schnell wie möglich sichtbar zu machen. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber im Profifußball haben wir auch nicht Jahre Zeit", ist er sich der Umstände bewusst.
Bewegen, aber nicht Zaubern
Dazu gehört natürlich auch der VAR. Das Thema Videoschiedsrichter wurde in der Bundesliga zuletzt heiß diskutiert. Hier soll György Ring für Abhilfe sorgen.
Der langjährige Assistent Kassais kommt gemeinsam mit ihm zum ÖFB. Auch hier hat Kassai eine klare Meinung: "Er wird da mit den Referees im Detail arbeiten. Die Entscheidung kann jeder sehen, aber nicht wie der VAR die Situation analysiert. Wir müssen die Zeit verbessern, es braucht Entscheidungen so schnell als möglich."
Was er sagt, wie er es sagt. Die Vision, die Viktor Kassai mitbringt - es erinnert unweigerlich an Rangnick. Der Ungar ist für Lippenbekenntnisse nicht zu haben, spricht die Probleme - die derzeit ohnedies offensichtlich sind - direkt an. Stehsätze? Nicht sein Ding. Eine Art, die man im ÖFB hinsichtlich Schiedsrichter nicht gewohnt ist und dem Verband guttun wird.
Dennoch wäre es vermessen, nun die Erwartungen in schwindelerregende Höhen steigen zu lassen. "Ein Vogel macht nicht den Frühling", sagte Karel Brückner in seiner Zeit als ÖFB-Teamchef einst.
Kassai kann viel bewegen und einen Unterschied machen, aber auch er wird keine Wunder bewirken und schon gar nicht die Versäumnisse der letzte Jahre, oder eher Jahrzehnte aufholen können.
Er wird nicht selbst auf dem Platz stehen und die Spiele leiten, so sehr sich dies mancher Fan wünschen mag. Er wird es sein, der das Boot, in dem letztlich alle gemeinsam sitzen, steuern wird. Und das hoffentlich in ruhigere Fahrwasser als aktuell.
"Werde so viel wie möglich im Stadion sein"
Deswegen wird er auch hinsichtlich der Besetzungen das Ruder höchstselbst in die Hand nehmen. "Ich werde so viel wie möglich im Stadion sein, sowohl in der Bundesliga, als auch in der 2. Liga", so Kassai.
Der Ungar spricht sich dabei klar gegen das bisherige System aus, bei dem alle Schiedsrichter einigermaßen gleichmäßig eingesetzt werden. “Ich bin dafür, dass jene Schiedsrichter, welche eine bessere Leistung bringen, auch mehr Spiele bekommen.”
Dabei möchte er Flexibilität beweisen, wie er sagt. Wenn es einen sehr guten Schiedsrichter gäbe und dieser aber einmal eine schlechte Phase habe, müssen man diesen deswegen nicht gleich in die 2. Liga schicken.
“Aber wenn jemand Fehler macht, muss das auf jeden Fall Konsequenzen haben”, stellt er klar. Auch das wäre eine deutliche Veränerung zum Status Quo, von dem sich der neue "Schiri-Teamchef" umgehend ein Bild machen will.
Direkt nach seiner Präsentation ging es für ihn weiter nach Salzburg, wo aktuell im Rahmen eines dreitägigen Lehrganges die vergangene Saison analysiert wird. Dabei wird wohl auch das Thema der Professionalisierung einer der Punkte auf der Tagesordnung sein.
Referees sollen "mittelfristig" Profis werden
Wie es Rangnick gerne macht, wie zuletzt mit seinen Gedanken zu einer 16er-Bundesliga, stößt auch Kassai offenbar gerne Diskussionen um gravierende Veränderungen an.
Denn man werde nicht umhinkommen, das heimische Schiedsrichterwesen auf Profitum umzustellen. "Mit meiner Erfahrung kann ich dem ÖFB helfen, hier mittelfristig eine gute Lösung zu finden", sagt er.
Dennoch sei Geld nicht das alleinige Mittel zum Zweck, denn am Ende sind es die Referees, welche auf dem Platz stehen und eine optimale Leistung bringen sollen. "Es geht ums Geld, aber nicht nur ums Geld. Denn eine professionelle Einstellung und Leistung sind nicht nur eine Frage des Geldes. Aber man braucht Geld für eine gute Vorbereitung", stellt Kassai klar.
"Wenn jemand nebenher einem Job nachgeht, hat er nicht so optimale Bedingungen, um sich auf ein Spiel vorzubereiten. In der Bundesliga ist sogar der Zeugwart beim Verein angestellt und die Schiedsrichter, welche die wichtigsten Entscheidungen treffen, haben nach wie vor Amateur- oder Halbprofistatus", schildert er seine Wahrnehmung.
"Aber es ist natürlich nicht so einfach, den Schiedsrichtern zu sagen, dass ihren Hauptberuf verlassen sollen und nach einigen schlechten Spielen oder einer schlechten Saison steht man vielleicht ohne Job da. Die Schiedsrichter werden nie so viel verdienen wie die Spieler. Es wird nie so viel sein, dass mit 45 oder 47 in Rente gehen können", ist er sich der Realität bewusst.
Dennoch: Der Ungar hat ganz klar das Ziel, beim ÖFB viel in Bewegung zu bringen. Er versprüht zudem, ähnlich wie Rangnick, auch diese Art von Energie, seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Ganz getreu dem Motto: "Unmöglich ist nur, was du dir nicht vorstellen kannst."