ÖTV-Präsident Robert Groß hat sich in den letzten Wochen wahrscheinlich andere Schlagzeilen gewünscht. Die eingebrachte Strafanzeige gegen seinen Vize-Präsidenten und Wiener Landes-Chef Franz Sterba wegen Korruption – es gilt die Unschuldsvermutung - öffnete neue Baustellen auf der ohnehin umfassenden To-Do-Liste des rot-weiß-roten Tennis-Bosses.
Im LAOLA1-Interview sprach der Oberösterreicher dabei vor allem über populäre sportliche Ziele wie den angepeilten Aufstieg in die Davis-Cup-Weltgruppe oder die Wiederbestückung der Top-100-Damen mit ÖTV-Material. Mit Barbara Haas und Tamira Paszek gibt es immerhin zwei Spielerinnen, die diesen Sprung in Bälde schaffen könnten.
Groß gab freilich auch zu, dass er „deren Leistungen nur wenig beeinflussen“ könne. Mit dieser Sichtweise liegt der ehemalige Sparkassen-Präsident sicher nicht falsch. Der Verband kann nur gewisse Rahmenbedingungen schaffen. Mit dem in Linz installierten Leistungszentrum unter Jürgen Waber und Sybille Bammer sowie der im vergangenen Jahr umgestalteten Individual-Förderung sind einige wichtige Schritte unternommen worden.
Steigerungspotenzial sehe ich hingegen in jedem Fall bei der Mobilisierung des Nachwuchses. Mit Dominic Thiem kann sich Österreichs Tennis-Sport über einen echten Glücksfall freuen. Der Niederösterreicher hat als Top-Ten-Spieler und möglicher Weltstar unglaubliches Potenzial, in den kommenden Jahren tausende österreichische Kinder mit der Liebe zur gelben Filzkugel zu infizieren.
Boom muss noch mehr ausgenützt werden
Teilweise wurde in dieser Richtung mit Talente-Sichtungen in der Südstadt und in der Steiermark mit dem Thiem-Team schon etwas umgesetzt. Der Zulauf war auch dementsprechend groß. Dieser Boom muss aber noch mehr ausgenützt und darf nicht verschlafen werden, wie es zum großen Teil in den 90er Jahren unter Thomas Muster passiert ist.
Der Tennis-Verband muss seine vielen Vereine im ganzen Land dazu anhalten, mehr für den Nachwuchs zu tun. Dominic Thiem hat den Nährboden bereits perfekt aufbereitet. Selten zuvor war es durch seine sportlichen Erfolge einfacher, die Kinder für den weißen Sport zu öffnen.
Die Saat kann nun aber nicht auch noch er selbst ausbringen. Diese Aufgabe fällt den Vereinen und Tennis-Schulen, schlussendlich also auch dem Verband zu. Individuelle Kooperationen mit Schulen und Kindergärten sind gefordert, um keinem auch nur halbwegs an Tennis interessierten Kind, diesen Weg nicht aufzuzeigen.
Denn schlussendlich ist eine breite Basis durch nichts zu ersetzen. Und je breiter die Basis, umso eher wird es auch nach Dominic Thiem wieder einen Glücksfall für den rot-weiß-roten Tennis-Sport geben.
Tennis-Legende Thomas Muster übt herbe Kritik am rot-weiß-roten Zugang zum Sport: