In Deutschland wie in anderen EU-Ländern gibt es weder einen privaten, begeisterten Gönner (wie Dietrich Mateschitz in Österreich es war) noch Wirtschaftskonglomerate (Miami, Las Vegas) noch Unterstützung der öffentlichen Hand wie in Asien oder Arabien. Aus Zuschauer-Einnahmen kann kein GP finanziert werden. Mateschitz gestand mir nach der Rückkehr des Österreich-GP 2014 (ohne die Summe zu nennen, die er als "Fee" an die Formel 1 entrichten musste): "Wenn wir Sonntag über 80.000 zahlende Besucher haben, decke ich damit die Organisationskosten. Für das Promotor’s Fee (die Antrittsgebühr der F1, Anm.) muss ich selbst aufkommen." Kolportiert wurden ab 2014 15 bis 25 Millionen Euro pro Jahr und ansteigend.
Fahrer-Helden
Schumacher wirkt(e) - doch der Junior, Mick, konnte die Formel 1 in Deutschland nicht retten. Wäre es anders gelaufen, hätte Mick in einem stärkeren Team als Haas regelmäßige Spitzenplätze eingefahren? Eine hypothetische Frage. Selbst als Mercedes nach der Brawn-Übernahme mit Michael Schumacher und Nico Rosberg ein deutsches Dreamteam bildete, war die massenhafte Fan-Begeisterung im Sinkflug.
Autobauer
Die Erfolgsserie von Mercedes mit acht Konstrukteurs- und sieben Fahrertiteln zwischen 2014 und 2020 samt dem Beweis überlegener Technologie konnte die Fanbasis in Deutschland nicht stärken. Mit Rosberg wurde 2016 ein Deutscher in einem deutschen Team Champion – zu wenig für einen neuen Boom. Der VW-Konzern hielt, so lange Ecclestone am Ruder war, einen großen Abstand zur Formel 1. Der Versuch mit Red Bull und Porsche scheiterte an Machtgewohnheiten und -verhältnissen. Audi kommt 2026, wird aber zumindest zu Beginn keine schnellen Triumphe feiern. BMW hat sich nach einigen Erfolgen, aber keiner Spitzenrolle, sehr plötzlich verabschiedet, weil die Formel 1 dem neuen Vorstandschef nicht passte.
Insider rätseln
Für Ecclestone – der mit seiner Preispolitik zwar sich selbst und den F1-Teams Vermögen bescherte, aber Veranstalter in den Ruin trieb – ist die Situation in Deutschland ein Rätsel: "Wir hatten große Rennen und große Fanmengen. Jetzt sind alle verschwunden. Für die Formel 1 existiert Deutschland nicht mehr." Der langjährige (1990 bis 2012) Mercedes-Sportchef Norbert Haug, Vorgänger von Toto Wolff, urteilt in der "Pforzheimer Zeitung": "Deutschland wurde von der im Zentrum stehenden Formel-1-Großmacht zum kaum beachteten Entwicklungsland ohne eigenes Rennen und ohne Fahrer mit Sieg-, geschweige denn Titelchancen… Das ist ein Trauerspiel." Sarkastisch ergänzte Haug: "Der Zug ist abgefahren, Deutschland sitzt im letzten Wagon, dort, wo die rote Laterne hängt."
Letzter Mohikaner
Waren 2010 noch fünf deutsche Fahrer im Formel-1-Feld (Schumacher, Rosberg, Vettel, Hülkenberg, Sutil), so ist heuer Rückkehrer Nico Hülkenberg der letzte Deutsche. Mit Mick Schumacher als Testfahrer bei Mercedes.
Nur mehr Elektro?
Immerhin wurde die Formel E Stammgast in Deutschland und fährt seit 2015 in Berlin, heuer am 22. und 23. April zum neunten Mal. Mit mehr deutschen Teams und Fahrern als die Formel 1. Und dennoch: Begeisterte Massen gibt es noch nicht.