Über den ersten Sieg in der Formel 1 jubelte man bei den "Bullen" im Jahr 2007, dieser gelang jedoch nicht Red Bull Racing, sondern einem gewissen Sebastian Vettel im "B-Team" Toro Rosso (heute AlphaTauri). 2006 kaufte Red Bull den Minardi-Rennstall mit dem Ziel, sich die Weltmeister selbst "heranzuzüchten". Mit Erfolg, wie Max Verstappen und Sebastian Vettel bewiesen.
Vettel war es auch, der Red Bull Racing 2009 zum ersten Mal ganz oben auf dem Siegerpodest stehen ließ. Es sollte der Durchbruch sein: Im Jahr darauf bescherte Vettel dem Team in einem dramatischen Finale den erster Fahrer-Titel, auch die Konstrukteurs-WM entschieden die "Bullen" für sich. Bis 2013 sollten es jeweils vier Titel in Folge für die Traumpaarung Vettel-Red Bull werden.
In den Jahren 2014 bis 2020 war Silber die Modefarbe, konnte Red Bull Dominator Mercedes nichts entgegensetzen.
Seit 2021 stimmt die Red-Bull-Mischung wieder. In einem der Konkurrenz (auch dank Motorenpartner Honda) technisch überlegenen Auto sitzt mit Max Verstappen einer der besten Piloten der jüngeren Vergangenheit. 2021 holte sich der Niederländer in einem dramatischen WM-Finale gegen Lewis Hamilton seinen ersten Titel und legte im Vorjahr gleich nach. In der vergangenen Saison ging auch der Konstrukteurs-Pokal wieder an die "Bullen".
Aktuell ist der unter rot-weiß-roter Flagge startende Rennstall dabei, eine zweite Sieges-Ära zu manifestieren.
Mintzlaff ist nicht Mateschitz
Der aktuelle Triumphzug von Red Bull Racing wurde im Vorjahr von Dietrich Mateschitz' Tod erschüttert.
Mit dem Firmengründer verlor vor allem das Führungsteam rund um Helmut Marko jenen Mann, dessen uneingeschränktes Vertrauen sie genossen.
Unter Oliver Mintzlaff, der nun als einer der drei Geschäftsführer des Red-Bull-Konzerns für die Sportaktivitäten verantwortlich ist, weht im Dosen-Imperium ein anderer Wind. Dass Mintzlaff in seiner neuen Rolle gleich mal mehr Druck ausübte als es Motorsport-Kenner Mateschitz offenbar tat, sorgte prompt für Misstöne.
Mateschitz sei "ein Visionär" gewesen, "der Emotionen hatte", sagte Marko im November über seinen verstorbenen Freund. Das könne er bei der neuen Führung "jetzt nicht mehr sehen".
Die kurzen Entscheidungswege waren jahrelang eine der großen Stärken des österreichisch-englischen Teams. Brauchte man etwa zusätzliches Budget für eine wichtige Entwicklung, war das meistens mit einem Anruf beim Chef geklärt. Den engen Kontakt mit der neuen Konzernspitze gab es – zumindest zu Beginn - nicht mehr.
Mittlerweile scheint sich alles halbwegs eingespielt zu haben oder wurde zumindest eine gemeinsame Basis gefunden. "Es hat sich de facto nichts geändert. Außer dass das Reporting in eine andere Linie geht und mit anderen Personen. Da wird viel hineininterpretiert. Aber mit jedem Gespräch, das ich mit Oliver Mintzlaff habe, wird die Situation konstruktiver und positiver", gab Marko kürzlich im ORF zu Protokoll.
"Die Leute vergessen, wie viel Arbeit Red Bull in den Sport gesteckt hat. Das ist wirklich außergewöhnlich. Wenn es sich um einen Hersteller handeln würde, bekämen sie vielleicht mehr Lob und Berühmtheit."
Man könne sich "nicht beschweren", erklärte der Steirer. "Es ist uns innerhalb dieser kurzen Zeit gelungen, die Struktur von AlphaTauri für die Zukunft sehr gut aufzustellen. Und wir haben vom neuen Management vier Gebäude in Milton Keynes bewilligt bekommen, wo wir unseren neuen Windkanal platzieren können. Wir werden einen neuen State-of-the-Art-Campus haben."
Kompromisslos in die Zukunft
Dass die neue Konzernführung mit der sportlichen und wirtschaftlichen Performance von AlphaTauri nicht zufrieden ist, lässt sich jedoch nicht leugnen. Red Bulls Schwestern-Team wird zwar nicht, wie immer wieder spekuliert, verkauft, es wird aber ordentlich umgekrempelt.
Laurent Mekies, derzeit Sportdirektor bei Ferrari, wird Franz Tost als Teamchef ablösen – dies habe Tost entgegen vieler Rausschmiss-Berichte mit Mintzlaff und Marko im Einvernehmen abgesprochen. Peter Bayer, ehemaliger FIA-Generalsekretär, wird Geschäftsführer und Lars Stegelmann soll dem Team neue Sponsoren beschaffen.
Man darf gespannt sein, wie lange die Geduld der Red-Bull-Bosse mit AlphaTauri noch anhält.
Die Zukunftsaussichten von Red Bull Racing sehen da um einiges rosiger aus. Mit dem Bau eines eigenen Motoren-Campus beweist man in Hinblick auf den Reglementwechsel 2026 strategsiches Vorausdenken.
Auch hier ist Red Bull seiner kompromisslosen Linie - seinem Geiste und seiner Kultur, wie es Christian Horner formulierte - treu geblieben. Bei der fast schon besiegelten Zusammenarbeit mit Porsche machte man im vergangenen Herbst im letzten Moment noch einen Rückzieher, zu sehr wollten sich die Deutschen einmischen.
Stattdessen holte man sich Ford ab 2026 als Motorenpartner ins Boot. Anders als es mit Porsche geplant war, wird Ford keine Anteile an "Red Bull Technology" kaufen, der Machteinfluss der Amerikaner hält sich somit in Grenzen.
"Dann bekäme Red Bull vielleicht mehr Lob und Berühmtheit"
Red Bull weiß eben genau, was man will (und vor allem nicht will) und wie man es bekommt. Da wird oft auch gnadenlos durchgegriffen. Ein Geschäftsmodell, das nicht überall gut ankommt.
"Die Leute vergessen, wie viel Arbeit Red Bull in den Sport gesteckt hat. Das ist wirklich außergewöhnlich", ergriff Ex-Pilot Mark Webber im Gespräch mit der englischsprachigen Ausgabe von "Motorsport.com" Partei für seinen ehemaligen Arbeitgeber.
"Was sie in diesem Bereich investiert haben, in Bezug auf ihre Mitarbeiter, in Bezug auf die Infrastruktur in Milton Keynes, und was sie getan haben, das ist ein Zeugnis für sie", sprach Webber von einer "großen Erfolgsgeschichte".
Eine Erfolgsgeschichte, die Webbers Meinung zufolge mehr Würdigung in der Öffentlichkeit verdient hätte: "Wenn es sich um einen Auto-Hersteller handeln würde, bekämen sie vielleicht mehr Lob und Berühmtheit."
Im Hause Red Bull macht man sich um Lob und Berühmtheit wohl eher weniger Sorgen.
"Unser Erfolg spricht für sich", sagte Marko nach dem 100. Sieg. "Wir sind noch lange nicht fertig mit unserer Mission. Wir wollen mehr Rennen und Titel gewinnen."