Öffentliche Personenwahl, Medienspektakel, quasi-sozialistisches Arrangement und Risikospiel: Im hektischen Getriebe der großen US-Ligen hat sich der Draft-Mechanismus längst als unverzichtbares, nicht hinterfragbares Ritual etabliert.
Am Donnerstag (ab 19 Uhr Ortszeit) wird der Wiener Jakob Pöltl in New York auf diese Weise seinen Traumjob NBA-Profi ergattern.
Wenn die Chefitäten der 30 NBA-Teams ihre Draft-Selektionen ausklügeln, kann es schon passieren, dass die Gewichte in der populärsten Basketball-Liga der Welt auf Jahre hinaus radikal verschoben werden. Ein einziger geglückter Draft kann das Schicksal eines Klubs für immer zum Besseren verändern.
Zugleich können sich die Verantwortlichen aber auch gehörig verspekulieren, wenn sich ein vermeintliches Supertalent als verletzungsanfälliger Rohrkrepierer entpuppt.
Silver verkündet Picks
Die Draft-Zeremonie selbst ist mit weit weniger Pathos beladen, als man vielleicht vermuten könnte.
Wenn NBA-Boss Adam Silver den Namen des "Top Picks", also der mutmaßlich fähigsten Nachwuchskraft, verkündet, beginnt in Wahrheit eine ziemlich schematisch ablaufende Kettenreaktion - samt Fotos mit den neuen Klub-Devotionalien und Interview-Marathon. Dafür erscheinen die jungen Männer aber picobello aufgebrezelt.
Der Draft ist nicht der einzige, wohl aber der gängigste Weg, wenn man es in eine der beliebtesten US-Sportarten Football, Baseball, Basketball und Eishockey schaffen will. Fast allen nordamerikanischen Stars - von Joe Montana über Michael Jordan bis hin zu Sidney Crosby - ist so der große Sprung gelungen.
FRAGEN UND ANTWORTEN ZUM NBA DRAFT:
- WIE LANGE HABEN DIE TEAMS ZEIT?
Der Draft besteht aus zwei Runden zu je 30 Picks. In der ersten Runde hat das Team, das an der Reihe ist (Reihenfolge siehe unten) maximal fünf Minuten Zeit, um sich für einen der verbliebenen Spieler zu entscheiden. Commissioner Adam Silver verkündet den Namen und bittet den Spieler auf die Bühne (die rund 20 aussichtsreichsten Youngsters werden in den sogenanten "Green Room" eingeladen). Ab der zweiten Runde übernimmt Silvers Stellvertreter, die maximale Zeit zwischen den Picks verkürzt sich auf zwei Minuten. - WAS SIND LOTTERY PICKS?
Die 14 Teams, die es nicht in die aktuellen Playoffs geschafft haben, bekommen die ersten 14 Picks zugeteilt - diese Picks können aber auch schon lange vorher zu einem anderen Team in einem Tauschgeschäft getradet worden sein. Beispielsweise verfügt das heurige Playoff-Team Boston über den 3. Pick. "Lottery Picks" heißen die Picks deshalb, weil die Reihenfolge dieser 14 Picks im Rahmen der "Draft Lottery" ausgelost wird. Das schlechteste Team hat die größte Wahrscheinlichkeit, den Top-Pick zugelost zu bekommen. 2016 gab es bei der Lottery erstmals überhaupt keine einzige Verschiebung in der Reihenfolge. - WER IST ZUM DRAFT ZUGELASSEN?
Automatisch zur Auswahl stehen Spieler, die ihre College-Karriere heuer komplettiert haben, und internationale Spieler, die das Alterslimit von rund 22 Jahren erreicht haben. Jüngere Basketballer bzw. Athleten, die noch College-Saisonen vor sich gehabt hätten, darunter Jakob Pöltl, mussten sich für den Draft anmelden. Das Mindestalter beträgt 19 Jahre, US-Spieler müssen die High School vor mindestens einem Jahr abgeschlossen haben. Oftmals ist es sogar besser, nicht am Ende der zweiten Runde gedraftet zu werden, sondern ungedraftet zu bleiben. So hat man es theoretisch leichter, bei allen 30 Teams unterzukommen. Für die gedraften Spieler gibt es fixe Gehalts-Schemen. - SIND TRADES WÄHREND DES DRAFT-ABENDS ÜBLICH?
Vor dem Draft, währenddessen oder nach dem Draft: Tauschgeschäfte kommen häufig vor. Das vielleicht bekannteste Beispiel ist jenes von Kobe Bryant: Die Los Angeles Lakers hatten einen Tag vor dem Draft 1996 einen Trade mit den Charlotte Hornets für deren Nummer-13-Pick ausgemacht. Die Hornets, die kein Interesse an Bryant hatten, wählten auf Geheiß der Lakers den 17-Jährigen aus und schickten ihn im Tausch für Vlade Divac nach L.A.
In der NFL seit 1936
In der NBA ist das Prozedere derzeit auf zwei Runden begrenzt, in jeder davon werden 30 Akteure aus einem viel größeren Pool herausgefischt. Damit wartet jedes Jahr auf lediglich 60 Draft-Anwärter ein glückliches Ende.
Zum Vergleich: In der National Football League (NFL) sind es aktuell 253, wobei dort freilich viel breitere Kader benötigt werden.
Die NFL war es auch, die das Draft-System 1936 eingeführt hat. Der Präsident der Philadelphia Eagles, Bert Bell, wollte eine Art Verteilungsmechanismus schaffen, um den finanziell potenziell ruinösen Wettbewerb um die besten Nachwuchsspieler auszuschalten.
Und irgendwie sollten dabei auch die Loser-Teams bevorzugt werden, um zu verhindern, dass die stärksten Talente die stärksten Klubs noch stärker machen.
NBA führt Lottery ein
Am Ende kam Bell auf folgende Lösung: Die Tabelle der abgelaufenen Saison wird einfach auf den Kopf gestellt, dann wird der Reihe nach gewählt. So bekommt der Letzte das erste Draft-Recht, während der aktuelle Champion bis zum Schluss warten muss.
Bis 1965 hatten auch NBA, NHL und MLB dieses Konzept übernommen, das einen geradezu sozialistischen Ansatz erkennen lässt.
Die NBA hat ihren Modus 1985 noch dazu um ein Zufallselement erweitert, bei dem die konkrete Draft-Reihenfolge der Nicht-Play-off-Teams in einer eigenen Prozedur ("Lottery") tatsächlich ausgelost wird.
Dabei bekommt die Truppe mit der schlechtesten sportlichen Bilanz nach einem fixen Schlüssel die größte Wahrscheinlichkeit auf den ersten Pick zugeteilt. Damit ist es unmöglich geworden, dass ein Team seine Draft-Position automatisch verbessert, indem es absichtlich verliert.
Glück gehört dazu
Eines haben alle Draft-Ausgaben in jedweder Liga gemeinsam: Vorherzusagen wie sich ein Talent entwickelt, ob ein junger Sportler einschlägt, ist trotz aller Erfahrung und wissenschaftlicher Vorbereitung unmöglich.
Dafür gibt es zu viele Variablen und Faktoren, die sich schlichtweg nicht kontrollieren lassen. Letztlich rennt auch in Sachen Draft nichts ohne eine saftige Portion Glück.
DRAFT-REIHENFOLGE 1. RUNDE:
Pick | Team |
---|---|
1. | Philadelphia 76ers |
2. | Los Angeles Lakers |
3. | Boston Celtics (Recht erhalten von Brooklyn Nets) |
4. | Phoenix Suns |
5. | Minnesota Timberwolves |
6. | New Orleans Pelicans |
7. | Denver Nuggets (von New York Knicks) |
8. | Sacramento Kings |
9. | Toronto Raptors (von Denver Nuggets) |
10. | Milwaukee Bucks |
11. | Orlando Magic |
12. | Atlanta Hawks (von Utah Jazz) |
13. | Phoenix Suns (von Washington Wizards) |
14. | Chicago Bulls |
15. | Denver Nuggets (von Houston Rockets) |
16. | Boston Celtics (von Dallas Mavericks) |
17. | Memphis Grizzlies |
18. | Detroit Pistons |
19. | Denver Nuggets von Portland Trail Blazers) |
20. | Indiana Pacers |
21. | Atlanta Hawks |
22. | Charlotte Hornets |
23. | Boston Celtics |
24. | Philadelphia 76ers (von Miami via Cleveland) |
25. | Los Angeles Clippers |
26. | Philadelphia 76ers (von Oklahoma City via Cleveland und Denver) |
27. | Toronto Raptors |
28. | Phoenix Suns (von Cleveland via Boston) |
29. | San Antonio Spurs |
30. | Golden State Warriors |