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Tomlinson: "Kann die Angst in ihren Augen sehen"

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Peter Altmann berichtet von Super Bowl 50 aus San Francisco 


LaDainian Tomlinson
liegen auch die europäischen Super-Bowl-Zuseher am Herzen.

Sein Tipp für die lange Football-Nacht:  „Ganz einfach! Um cirka 17 Uhr sollte man sich für ein rund zweistündiges Schläfchen hinlegen, danach bietet sich ein Workout an, um sich wieder frisch und fit zu fühlen und dann sollte man mit dem Essen und Trinken beginnen. Dann werdet ihr okay sein!“

Der 36-Jährige versteht fraglos Spaß, kennt aber auch in seiner neuen Rolle den Ernst des NFL-Geschäfts. Als einer der Experten von „NFL Network“ sind messerscharfe Analysen von der Running-Back-Legende gefragt.

Und Tomlinson fällt fraglos in die Kategorie Legende.

Seine 28 Rushing-Touchdowns in der Saison 2006, in der er zum MVP gewählt wurde, sind bis heute unübertroffen. Mit seinen 145 Rushing-TDs im Laufe seiner Karriere kam er als einziger Spieler in die Nähe der überlegenen Bestmarke von Emmitt Smith (164). Mit 13.684 Rushing Yards liegt er in der ewigen Rangliste auf Rang fünf.

Den Löwenanteil seiner Karriere verbrachte er bei den San Diego Chargers, ehe er seine Laufbahn bei den New York Jets ausklingen ließ. So gesehen logisch, dass er im LAOLA1-Interview neben Super Bowl 50 auch noch auf den 2017 drohenden Abschied der Chargers in Richtung Los Angeles eingeht.

LAOLA1: Wie schätzen Sie die Kräfteverhältnisse zwischen den Carolina Panthers und Denver Broncos in Super Bowl 50 ein?

Tomlinson: Es ist leicht, Carolina in die Favoritenrolle zu drängen. Die Balance im Team ist sehr gut, sie haben in dieser Saison 17 Spiele gewonnen. Sie haben nicht viel Erfahrung darin, zu verlieren. Irgendwie haben sie immer einen Weg gefunden, um zu siegen – egal wie. Ich denke, am Sonntag werden sie das Gleiche tun.

LAOLA1: Wie sind Ihre Verbindungen zu den beiden Finalisten?

Tomlinson: Mittlerweile sehe ich es durch die Brille des Analytikers. Klar habe ich bei beiden Teams Freunde – Carolinas Head Coach Ron Rivera war beispielsweise einst unser Defensive Coordinator in San Diego, ebenso Denvers jetziger DC Wade Phillips. Mike Tolbert von den Panthers war einige Zeit lang mein Fullback. Ich muss meine Gefühle und Sympathien für diese Freunde jedoch komplett ausblenden und in meine Rolle als TV-Experte schlüpfen. Da zählt nur die Analyse: Welches Team hat wo seine Stärken? Und da ist in meinen Augen Carolina das stärkere Team. Wir dürfen aber nicht außer acht lassen, dass die Defense der Broncos Big Plays machen könnte, die das komplette Spiel auf den Kopf stellen würden.



LAOLA1: Wie bewerten Sie Peyton Mannings Rolle in dieser späten Phase seiner Karriere?

Tomlinson: Er ist wahrscheinlich der größte Quarterback aller Zeiten, wenn es darum geht, das Spiel zu kontrollieren. Sein Zugang und seine Hingabe dem Spiel gegenüber sind großartig. Man muss sich einmal vorstellen, von welchen Verletzungen er zurückgekommen ist. Er versucht immer noch, besser zu werden – selbst an diesem Punkt seiner Karriere. Man muss sich nur Peytons Wandel in dieser Saison anschauen. Er sagt sich vermutlich: „Ich bin vielleicht nicht mehr der Spieler, der ich einmal war, aber ich verstehe, welchen Anteil mein Team von mir braucht.“ Er ist nicht mehr das Rückgrat des Teams, stellt sich aber anstandslos hinten an – im Sinne der Mannschaft. Das ist nicht so leicht umzusetzen. Der Fakt, dass er es macht, sagt eine Menge über Peyton aus.

LAOLA1: Wie würden Sie als ehemaliger Running Back das Laufspiel von Carolina und Denver einschätzen?

Tomlinson: Denver hat ein System mit zwei Running Backs. Ronnie Hillman und C.J. Anderson ergänzen einander bestens. Hillman ist der wendige und schnelle Typ, Anderson mehr die kräftige Dampfwalze. Das funktioniert für Denver. Bei Carolina ist Jonathan Stewart der Leithammel, der den Großteil der Arbeit schultert. Er passt bestens zu Cam Newton. Stewart hat schon am College in Oregon im selben Offense-System gespielt, also fühlt er sich wohl.

LAOLA1: Stewart war 2008 ein Erstrunden-Draftpick, spielte aber erst jetzt seine erste Pro-Bowl-Saison. War es gut für ihn, dass DeAngelo Williams die Panthers verlassen hat und er nun die zentrale Figur im Laufspiel ist?

Tomlinson: Es war höchste Zeit für ihn, dass er in die erste Reihe rückt. Er ist an einem Punkt in seiner Karriere, wo er die Arbeit im Alleingang verrichten kann. Aber ich bin mir sicher, dass er sehr wohl zu schätzen weiß, was DeAngelo Williams für ihn getan hat. DeAngelo hat ihm geholfen, ein Profi zu werden und zu verstehen, worauf es ankommt, um ein NFL-Running-Back zu sein. Das ist etwas ganz anderes als am College. Es gilt so viele Anpassungen vorzunehmen, von Woche zu Woche kann der Gameplan ein anderer sein.

LAOLA1: Kommen wir zu einem ganz anderen Thema. Sie sind eine lebende Legende der San Diego Chargers. Inzwischen steht fest, dass das Team 2016 doch in San Diego spielen wird, eine Abwanderung nach Los Angeles steht jedoch nach wie vor im Raum. Wie stehen Sie dazu?

Tomlinson: Ich persönlich denke natürlich, dass die Chargers in San Diego bleiben sollten, wenn sie nur irgendwie können. Sie müssten einen Stadion-Deal hinbekommen und dafür gehören jede Menge Details geklärt – beispielsweise welchen Anteil zahlt die öffentliche Hand, welchen die Chargers? Aber es wäre gut, wenn sie sich mit der Stadt einigen. Außerdem: Wenn sie in San Diego ein neues Stadion hinbekämen, würde die Stadt definitiv in die Rotation für Super Bowls aufgenommen werden. Aber wer weiß, was passieren wird? Ich ehrlich gesagt nicht. Ich glaube auch nicht, dass Team-Präsident Dean Spanos zum aktuellen Zeitpunkt genau weiß, was er tun wird. Er weiß, dass er in Los Angeles eine Möglichkeit hat, die er nutzen könnte. Aber ich vermute, dass er im Innersten seines Herzens hofft, dass er es noch mit San Diego hinbekommt.

LAOLA1: Wie emotional ist diese Diskussion für Sie persönlich nach den all den Jahren in San Diego?

Tomlinson: Extrem emotional! Ich bin mit den Leuten in San Diego immer noch eng verbunden, bin dort geschäftlich tätig und habe eine Vielzahl an Aktivitäten zur Unterstützung der Community laufen. Aus emotionaler Sicht habe ich enge Bande zu San Diego – ich höre auch, was die Leute dort sagen. Jedes Mal, wenn ich dort bin, kommen viele Menschen zu mir und fragen mich, was die Chargers tun und ob sie übersiedeln werden. Ich kann die Angst in ihren Augen sehen und fühle den Schmerz, den sie empfinden. Ich kenne Season-Ticket-Holder, die seit 50 Jahren zu den Chargers-Spielen gehen und all die Legenden gesehen haben. Es ist schwer damit umzugehen.

LAOLA1: Aber Sie haben immer noch Hoffnung?

Tomlinson:  Absolut! Es ist noch keine beschlossene Sache!

LAOLA1: Wie geht es Ihnen mit der gerüchteweise kolportierten Option, dass sich die Raiders in San Diego ansiedeln könnten?

Tomlinson: „San Diego Raiders“ klingt wirklich nicht richtig für mich. Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber ich glaube auch nicht, dass die NFL-Owner einer Übersiedlung der Raiders nach San Diego zustimmen würden.

LAOLA1: Wie lautet abschließend Ihr Tipp für Super Bowl 50?

Tomlinson: Ich denke, es wird ein knappes und möglicherweise relativ punktearmes Spiel. Irgendwo im Bereich von 23:17 oder 23:20.

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