Ein Sieg wie ein Happy End.
Ein Moment – fast schon kitschig.
Ludwig Paischer (bis 60 kg) gewinnt die Judo European Open am Samstag in Oberwart. Nach eineinhalb Jahren ohne Weltcup-Sieg verabschiedet sich der Olympia-Zweite von 2008 mit einem Überraschungs-Erfolg von seinen Fans.
Verabschieden deshalb, weil es der letzte Heim-Weltcup in der Karriere des mittlerweile 34-Jährigen ist. „Das steht definitiv fest, auch wenn ich noch nicht weiß, wie es nach den Olympischen Spielen genau weitergeht“, erklärt er LAOLA1, während er auf die Siegerehrung wartet.
Herz siegt über die Vernunft
Doch die Geschichte, die Lupo an jenem Februar-Tag im Burgenland schrieb, war nicht nur eine eines erfolgreichen Abschieds.
Denn aus neutraler Sicht hatte ein Start Paischers in Oberwart in Wahrheit wenig Sinn gemacht.
Am Mittwoch war er noch mit leichtem Fieber im Bett gelegen. Der Salzburger hatte wie das Gros des ÖJV-Teams einen grippalen Infekt vom Grand Slam aus Paris vor einer Woche mit nach Hause genommen.
Dazu kam die in Relation zu den zeitlich umliegenden Turnieren geringe Punktezahl, um die es in Oberwart ging. Zwischen Paris (500 Zähler für Rang eins) und dem in einer Woche stattfindenden Grand Prix in Düsseldorf (300) werden im Burgenland im Idealfall „nur“ deren 100 vergeben. „Für die Olympia-Quali würde mir nur ein Podest-Platz etwas bringen“, kannte Paischer die schwierige Konstellation im Quali-Ranking, in welchem er Ende 2015 bereits bedrohlich weit zurückgerutscht war.
"An Old lion is still a Lion"
Wozu also einen gesundheitlichen Rückfall für vergleichsweise kleine „Brötchen“ riskieren?
Doch egal, wie vernünftig die Contra-Argumente auch klangen, konnten sie Paischers Lust auf sein letzes Heim-Turnier in keiner Sekunde aufwiegen. „Ich wollte noch einmal vor heimischem Publikum kämpfen. Das war mir einfach wichtiger.“
Dem Alter zum Trotz
Der grippale Infekt war am zweifachen Europameister jedoch nicht spurlos vorübergegangen. Gegen Auftakt-Gegner Bauyrzhan Zhauyntayev (KAZ) agierte er beinahe im Energie-Sparbetrieb, zitterte sich mit zwei Bestrafungen über die Zeit. „Nach zweieinhalb Minuten war ich hin“, gestand Lupo danach. „Was mir aber zugutekam: Mein Gegner war noch kaputter als ich.“
Paischer fing sich infolge, steigerte sich von Runde zu Runde. „Dabei konnte ich auf die Selbstsicherheit aufbauen, die ich durch meinen siebten Platz in Paris bekommen hatte.“ Beflügelt von der wiedergefundenen Leichtigkeit schüttelte der Straßwalchner mit einem Mal neue Technik-Kombinationen aus dem Ärmel und überzeugte durch Griff-Dominanz.
„Mit jedem Kampf, den ich momentan bestreite, glaube ich immer mehr daran, dass ich in Rio in Top-Form sein kann“, meinte er mit wieder leuchtenden Augen. Ein Glaube, den er sich in den vergangenen Jahren zwar stets versuchte zu bewahren, den viele nach diversen Auftakt-Niederlagen aber nicht mehr teilten. „Ich habe oft gehört, dass ich mit 34 Jahren zu alt bin“, ließ seine Stimme erkennen, dass wahrscheinlich auch ihn der oder andere Zweifel geplagt hat. Es wäre nur allzu verständlich.
Rio hin oder her, dürfte sich der Altmeister zumindest des Quali-Stresses entledigt haben. Durch die jüngsten zwei Ergebnisse ist sein Polster deutlich angewachsen.
Der freundliche Endgegner
Weitere Siege über Jianqi An (CHN), Argen Uulu Bakytbek (KGZ) sowie im Halbfinale über Vugar Shirinli (AZE) hievten Paischer letztlich ins Finale von Oberwart, in welchem mit Felipe Kitadai (BRA) ein Kumpel des Projekt-Rio-Athleten wartete.
Eine Woche zuvor hatte sich der Brasilianer dem Österreicher in Paris noch als Aufwärm-Partner zur Verfügung gestellt. „Felipe hatte gegen meinen Viertelfinalgegner erst kurz davor gekämpft und bot mir deshalb an, mir zu zeigen, worauf ich achten muss“, verriet Paischer.
Das Wiedersehen in Oberwart verlief dementsprechend herzlich. Eine Herzlichkeit, der auch die Begegnung im Finale keinen Abbruch tat. Vor dem Duell spazierte Kitadai kurzerhand zu Paischer hin, um ihm mit einem Lächeln zu erklären: „Sorry, aber diesmal können wir leider nicht gemeinsam aufwärmen.“
Das danach folgende Aufeinandertreffen der oftmaligen Rivalen war dementsprechend taktisch geprägt und ging aufgrund von Bestrafungen an Paischer, für den sich mit dem Heimsieg ein Kreis schloss.
„Vor 15 Jahren habe ich mein allererstes Weltcup-Turnier bei den Erwachsenen bestritten und gewonnen.“ Es handelte sich dabei ebenfalls um das Heim-Event, welches damals noch in Leonding stattfand.
Einen Heimsieg konnte Paischer noch verbuchen, nämlich 2006. Jener vor zehn Jahren war zudem der bislang letzte der ÖJV-Herren.
Wie gesagt: Es ist fast schon kitschig.
Aus Oberwart berichtet Reinhold Pühringer