Es ist wichtig zu wissen, was einen erwartet.
Aus diesem Grund haben sich Bernhard und Paul Sieber im Sommer nach Rio aufgemacht, um jene Strecke zu erforschen, auf der nächsten August Olympische Ruder-Medaillen vergeben werden.
„Die Regatta-Strecke dort fühlt sich völlig anders an, als alle anderen, die wir aus dem Weltcup kennen“, berichtet der 25-jährige Bernhard.
Außerdem räumt das Brüderpaar mit den Horror-Meldungen über die Wasser-Qualität auf.
Rennen mit Motoren-Sound
Der Unterschied zu anderen Strecken liegt an der Stadt Rio selbst. „Wenn du auf dem Wasser bist, dann sind da normalerweise nur du und dein Bootskamerad. Aber nicht in Rio“, meint der um drei Jahre jüngere Paul.
Die Energie der pulsierenden Stadt unter dem Zuckerhut ist bis auf die Strecke in der Lagoa de Freitas zu spüren. Der Verkehrs-Lärm vereinnahmt die Sportler.
„Nur etwa 30 Meter vom Start entfernt ist eine vierspurige Straße. Selbst mitten auf der Strecke ist es irrsinnig laut. Das gibt es sonst nirgends auf der Welt“, erklärt Bernhard, dass das für den eigenen Fokus irritierend wirke. Umso wichtiger sei es, dies im Vorfeld bereits einmal erlebt zu haben. „Wir haben dadurch sicherlich einen Vorteil, wobei auch schon viele andere Boote einen Lokalaugenschein gemacht haben.“
Keine Lagunen-Idylle
Ermöglicht hat den Trip Sponsor Red Bull, der den Kontakt zur Ruder-Abteilung von Vasco Da Gama, einen der großen multisportiven Vereinen Rios, herstellte. Dort wurde das Duo, welches sich durch einen 9. Rang bei der diesjährigen WM in Aiguebelette (FRA) einen Olympia-Quotenplatz sicherte, recht herzlich aufgenommen.
„Sie haben uns ein Boot zur Verfügung gestellt. Kids zwischen 14 und 21 Jahren haben uns dann ihre Strecke gezeigt. Einige waren noch blutige Anfänger, andere hatten schon richtig etwas drauf“, erzählt Bernhard, der beim ersten Anblick der Lagune ins Staunen geriet: „Da war sauviel los!“
Über 20 Boote aus vier verschiedenen Klubs tummelten sich auf dem Wasser. Dabei gilt Rudern in Brasilien nicht gerade als populär, zumindest was das Top-Niveau anbelangt. „Im Vorfeld der Spiele fahren zwar jetzt einige brasilianische Boote bei den Weltcups mit, diese Rudern aber zumeist nur hinterher“, weiß Bernhard.
Wind und Wasser-Qualität
Obwohl die Lagune regelrecht eingekesselt liegt, präsentiert sie sich windanfällig. „Prinzipiell kommt die Luft von der Seite“, spricht Bernhard deshalb von fairen Bedingungen.
Allerdings nimmt der Wind in den Mittagsstunden bedrohlich zu. „Dann sind dort auch Segel-Boote auf dem Wasser, was für gewöhnlich ein verlässliches Indiz dafür ist, dass es für unsereins zu sehr weht.“
Wind und Wellen sind für die Ruderer Gift. „Aber das muss uns prinzipiell wurscht sein. Zumal wir bei ähnlichen Bedingungen U23-Weltmeister geworden sind“, zwinkert Bernhard.
Die Horror-Meldungen, wonach aufgrund der Wasser-Verschmutzung auf dem Wasser ein Gestank herrsche, der ein vernünftiges Training nicht möglich mache, konnten die beiden nicht bestätigen. Tonnen von toten Fischen habe es in der Vergangenheit jedoch sehr wohl gegeben, da das biologische Gleichgewicht in der Lagune das eine oder andere Mal gekippt ist.
Für Rio gibt es für die Ruderer aber nicht viel Grund zur Sorge. „Die knapp acht Kilometer lange Lagune dürfte schließlich um einiges leichter unter Kontrolle zu bringen sein als etwa die Bucht vor der Stadt, wo die Segler ihr Revier haben“, verweist Bernhard auf die Schwierigkeiten ihrer Wassersport-Kollegen, die mit herumtreibendem Müll zu kämpfen haben.
Eine Brise Kulturschock
Damit das Brüderpaar, welches innerhalb des Projekts Rio vom Team- in den Medaillen-Kader transferiert wurde, mit der richtigen Form in das Olympia-Jahr geht, wird nun gemeinsam mit dem ÖRV-Nationalteam in Avis in Portugal trainiert.
„Von einer 6-Millionen -Stadt in ein Dorf mit 4.000 Einheimischen und etwa gleich vielen Hunden. Fast schon ein bisschen ein Kulturschock“, meint Paul.
„Wenigstens ist die Sprache dieselbe.“
Reinhold Pühringer