Mit ernsten Mienen stiegen Paul und Bernhard Sieber am Donnerstag aus ihrem Boot.
Der Leichtgewichts-Doppelzweier war in seinem Olympia-Halbfinale nicht über den sechsten und letzten Platz hinausgekommen. Abgeschlagen. Über 13 Sekunden hinter dem erhofften Aufstieg ins A-Finale. "Das war mit der Brechstange", erkannte ÖRV-Sportdirektor Norbert Lambing sofort.
Eine Einschätzung, welche die beiden Brüder teilten. "2.000 Meter Brechstange gehen halt selten gut", schüttelte Bernhard den Kopf. "Man hat gemerkt, dass wir von Anfang an voll gefightet haben, am Ende waren wir völlig blau", erklärte er den letztlich so deutlichen Abstand.
Sch*** auf Kilometer 30!
Rudertechnisch seien die Probleme derzeit einfach zu groß, um unter den besten sechs Booten der Welt zu stehen. Wobei das in der Qualifikation abgegebene Bild noch viel bedrohlicher war. Nomen est omen hatte der Hoffnungslauf den beiden tatsächlich neue Hoffnung geschenkt. "Da haben wir wieder zueinander gefunden", spricht Bernhard sogar von einem kleinen "persönlichen Olympiasieg".
Durch das Verpassen der Medaillen-Entscheidung ist für die Siebers nun traurige Gewissheit, dass das einst ausgegebene Ziel von Olympia-Gold dahin ist. Ein Ziel, welches nicht erst heute, sondern bereits in der Vergangenheit zu ambitioniert schien.
War es zu hoch gegriffen? "Nein. Wenn ich bei einem Marathon an den Start gehe, dann nur mit dem Ziel, auch die volle Distanz zu bewältigen. Da will ich nicht nur bis zu Kilometer 30 laufen und dann weiterschauen", erklärt Paul. "Ich will ins Ziel kommen. Und hier ist das Ziel eindeutig Gold - weiter geht es nicht."
Sein älterer Bruder sieht das ähnlich: "Wir sind bitter enttäuscht. Ich höre es mir gerne an und lasse es mir auch gerne nachsagen, dass ich mir ein zu hohes Ziel gesteckt habe. Aber ich stecke mir lieber ein zu hohes Ziel, als dass ich weniger will. Weil im Endeffekt würde ich dann nicht das Größtmögliche erreichen. Das ist ein Leben, das ich nicht führen möchte."
Kritiker hatten das Gerede von Gold zuletzt als "goschert" eingestuft. "Ich denke, es schadet nicht, ein wenig goschert zu sein. Es schadet auch nicht, ein bisschen träumen zu dürfen", ergänzt Paul mit einem Grinsen und verweist auf Onkel Christoph Sieber. "Hatte man ihm es 2000 in Sydney zugetraut? Ich bin mir auch nicht sicher, ob man es einer Julia Dujmovits 2014 in Sotschi zugetraut hatte."
Nur ein Zwischenschritt?
Ob jetzt "goschert" oder ambitioniert - Fakt ist jedenfalls, dass durch die beiden schon feststehenden Top-12-Plätze von den Siebers sowie Magdalena Lobnig (Semifinale heute ab 14:40 Uhr MEZ) das beste heimische Ruder-Abschneiden bei Olympia seit 16 Jahren schon unter Dach und Fach ist.
Hinzu kommt, dass der Traum von Olympia-Gold per se noch nicht ad acta gelegt werden muss. Dank einem Alter von 23 bzw. 26 Jahren kann Rio nur EINE Etappe sein. "Wir haben beide noch viel vor. Auch sportlich. Von daher war es ganz bestimmt nur ein Teilstück auf unserer Reise", so Bernhard, der seit 2011 mit Paul in einem Boot rudert.
Doch bevor der Blick in die Ferne abschweift, wartet heute um 14:20 Uhr MEZ das Olympia-B-Finale.
Die Zielsetzung dort? Blöde Frage.
Aus Rio berichtet Reinhold Pühringer