Darum sollte die ICE ihren Spielbetrieb fortsetzen - von Johannes Bauer
Eigentlich hätten wir uns alle gewünscht, zu diesem Zeitpunkt der Pandemie in einer ganz anderen Position zu sein. Und nun erinnert die Situation wieder frappierend an das Vorjahr. Nicht nur, aber eben auch in den Hallen der ICE Hockey League.
Ein Großteil der Liga ist lahmgelegt, der Spielbetrieb zuletzt fast zu einem Stillstand gekommen. Das Rumpfprogramm lässt die Frage aufkommen, ob ein kompletter Stopp nicht angebracht wäre.
Doch so angespannt die Corona-Situation durch Omikron auch ist und Vergleiche zum Vorjahr aufwerfen: Es gibt Argumente, die für einen pragmatischeren Umgang mit dem Problem sprechen, als es das in der Vergangenheit gezwungenermaßen der Fall war.
Erstens: Vertrauen in die Impfung - allein schon aus Prinzip
Die Voraussetzungen haben sich geändert, denn die Liga ist bis auf Ausnahmen durchgeimpft. Wenngleich Omikron der Schutzwirkung einen leichten Dämpfer verpasst haben dürfte: Die Wissenschaft liefert weiterhin sehr zuversichtliche Einschätzungen. Vor diesem Hintergrund trifft das Virus auf einen härteren Gegner als in der Vergangenheit und hat zumindest einen Teil seines Schreckens eingebüßt, wenngleich diese Zeilen keineswegs ein Plädoyer für einen leichtsinnigen Umgang damit darstellen sollen.
Ein Grundvertrauen in die Impfung muss aber da sein, die Welle gering zu halten, die Folgen einer Infektion deutlich abzufedern - und der Liga danach ein problemloses Weiterspielen zu ermöglichen bzw. bei "gesunden" Teams einfach gleich weiterzumachen.
Denn den Aspekt der hohen Immunisierung völlig außen vor zu lassen und mit der gleichen Schockstarre wie früher auf Infektionen zu reagieren, würde gleichzeitig unsere gesamtgesellschaftliche Linie konterkarieren, die natürlich auf eine hohe Impfquote für die "Normalbevölkerung" als Weg aus der Krise setzt - in Verbindung mit entsprechenden Erleichterungen im Alltag.
Infektionen werden auch unter Geimpften auftreten, denn Omikron lässt sich leider nicht aufhalten. Das ist ja gar nicht der kritische Punkt und wird jetzt scheinbar - eine wertfreie Beobachtung der Tagespolitik - bis zu einem gewissen Grad hingenommen.
Warum sollte sich die ICE hier einen strikteren Kurs als "die Welt außerhalb der Eishallen" auferlegen, wenn dadurch der Spielbetrieb und am Ende vielleicht auch die Existenz manches Vereins gefährdet wird? Als Signal könnte der Panik-Modus innerhalb einer Liga mit hoher Durchimpfung nämlich genauso nach hinten losgehen: Als Wasser auf den Mühlen jener, die an Schutzwirkung und Sinnhaftigkeit der Impfung ohnehin schon zweifeln.
Zweitens: Die Voraussetzungen wurden geschaffen
Die ICE hat sich ganz bewusst auf dieses Szenario vorbereitet. Der Ausstieg der Bratislava Capitals wurde zum Anlass genommen, die Tabellenwertung auf den Punkteschnitt umzustellen und eine weitestgehende Vergleichbarkeit der Teams auch bei einer ungleichen Anzahl absolvierter Spiele sicherzustellen.
Es war schon eine Art Eingeständnis, dass der Grunddurchgang coronabedingt wohl nicht vollständig über die Bühne gehen wird. Auf dieses Instrument kann sich die ICE also getrost stützen.
Das vorrangige Problem: Die Regularien besagen, dass ein Team 80 Prozent des Grunddurchgangs absolviert haben muss, um an den Playoffs teilzunehmen. Davon sind einige Teams ein gutes Stück entfernt, zumindest 30 Partien haben aber alle Liga-Teilnehmer momentan gespielt und bis Ende Februar sind auch noch einige Wochen Zeit, ein paar nachzulegen. Es muss ja nicht alles gespielt werden.
Und lässt sich etwas Positives an den derzeitigen Wellen in den Teams finden: Sie haben es damit hoffentlich (vorerst) hinter sich gebracht, sollten Ausfälle seltener werden.
Einen Weg zu finden, sich von einer festgeschriebenen Minimalzahl an Spielen zu verabschieden, wäre im Maßstab der letzten zwei Jahre ein Sonderweg überschaubarer Größenordnung - solange eine Vergleichbarkeit der Teams halbwegs gewahrt bleibt. Die ist durch unterschiedliche Häufigkeiten der Begegnungen ohnehin angeknackst, da kommt es auch nicht mehr darauf an, ob ein Klub überhaupt - Hausnummer - vier Spiele mehr oder weniger als ein anderer in der Bilanz stehen hat. Die Devise "spielen, was eben möglich ist", ist legitim, wenn darauf Rücksicht genommen wird.
Eher wenig halte ich davon, wie gern ein Wegfall der Länderspielpause Mitte Februar zugunsten der Liga ins Spiel gebracht wird. Das Nationalteam ist auf vielen Ebenen ein leidiges Thema zwischen ÖEHV und ICE, aber zwei Gelegenheiten für Roger Bader, seine Mannen während der Saison zusammenzutrommeln, sind sicher nicht zuviel verlangt. So viel muss der Liga das Produkt "österreichisches Eishockey" auch abseits ihrer eigenen Bühne wert sein.
Drittens: Wie soll es sonst weitergehen?
Wir haben leider keine Garantie, dass der Status quo auf absehbare Zeit nicht so bleibt und Corona auch in folgenden Jahren zum regelmäßigen Spielverderber wird. Da darf die Reißleine schon aus Prinzip einmal unangetastet bleiben, sonst kann der Laden gleich auf Dauer zusperren.
Vor diesem pessimistischen Szenario müssen wir uns auch grundsätzlich die Frage stellen, was wir uns vom Virus nehmen lassen und was nicht. Da ist Kreativität, Einfallsreichtum und Kurzentschlossenheit in den Spielplänen das kleinere Übel gegenüber der Aussicht, in jede Saison mit der Möglichkeit eines Abbruchs zu gehen - oder gleich ganz auf so manche Sportart verzichten zu müssen. Denn wenig(er) Eishockey ist immer noch besser als gar kein Eishockey.
Da kann die momentane Situation auch als Chance betrachtet werden, Szenarien durchzuproben und Probleme zu finden. Sollte sich die Lage bis nächstes Jahr nicht entspannen, könnte so gleich ein weniger ambitionierter Grunddurchgang angepeilt werden.
Darum sollte die ICE ihren Spielbetrieb unterbrechen - von Maximilian Girschele
Eines gleich vorweg: Eine Unterbrechung oder gar der Abbruch der Liga wären das Worst-Case-Szenario. Zum aktuellen Zeitpunkt scheint eine Pause allerdings der einzige Weg zu sein. Schon in der Vorsaison zogen die Verantwortlichen der ICE Hockey League die Reißleine, setzten den Spielbetrieb für ein knappes Monat weitestgehend aus.
Auch in der nunmehrigen Situation muss dies in Betracht gezogen werden, um die Ausbreitung der Omikron-Variante zu stoppen. Dass die neue Mutation des Coronavirus hochansteckend ist, ist hinlänglich bekannt. Die Fallzahlen in Österreich verdreifachten sich binnen einer Woche. Und die Corona-Lage wird sich in den kommenden Wochen und Monaten eher verschlechtern als verbessern.
Somit gilt es, sich nun bestmöglich zu schützen und gerade im Sport keine großen Risiken einzugehen. Ein Risiko stellen für die Teams beispielsweise Auswärtsfahrten im Bus dar. Zwar werden Spieler und Betreuer nahezu täglich getestet, somit auch vor Fahrtantritt. Ein einziger positiver Spieler reicht allerdings bereits, damit das Virus innerhalb der Mannschaft grassiert.
Virus wird schnell zum Lauffeuer
Inzwischen hat so gut wie jeder Klub zumindest einen positiven Fall zu beklagen, nur die Vienna Capitals und die Graz99ers vermelden derzeit eine Covid-freie Kabine. Es kommt nicht von ungefähr, dass ausgerechnet die Wiener und die Steirer am vergangenen Sonntag die einzige Partie ausgetragen haben.
Teams wie der EC Red Bull Salzburg standen bis vor kurzem ebenfalls virenfrei da, die Rückkehr der U20-WM-Spieler aus Kanada änderte dieses Bild in Windeseile. Andere Vereine wie die Black Wings Linz, Fehervar AV19 oder Olimpija Ljubljana haben dagegen seit Jahresende mit Corona zu kämpfen. Auch deshalb verbreitete sich Corona in der Liga wie ein Lauffeuer.
Noch vor wenigen Tagen vermeldete der KAC voller Stolz eine 100-prozentige Impfquote und strenge Regeln für Spieler und Angestellte außerhalb der eigenen vier Wände. Nun steht der amtierende Meister, genauso wie Lokalrivale VSV, mit einer Unzahl an positiven Tests da. Das Problem dahinter: Beide Mannschaften spielten erst unlängst gegen die Graz99ers, die Wahrscheinlichkeit ist daher groß, dass es die Murstädter in Bälde ebenfalls erwischt.
Die wiederum traten am Sonntag bei den Vienna Capitals an, daher steigt auch hier die Wahrscheinlichkeit von positiven Corona-Fällen dramatisch an. Maximal vier Spieler dürfen positiv getestet werden, beim fünften Crack verschiebt die Liga das Spiel bis auf weiteres. Eine logische und richtige Maßnahme, um die Ausbreitung innerhalb der Liga so gut wie möglich zu verhindern.
Fall Boris Sadecky mahnt zur Vorsicht
Und dennoch: Wie ICE-Geschäftsführer Christian Feichtinger erst am Wochenende betonte, ist Omikron nicht zu bremsen. Daher muss die Liga ihrerseits die Notbremse ziehen und den Spielbetrieb bis auf weiteres unterbrechen.
Zwar kommen Teams wie die Black Wings Linz oder Fehervar AV19 nach und nach wieder in den Trainingsbetrieb zurück, allerdings benötigen die Vereine eine gewisse Vorlaufzeit, um ihr Wettkampf-Niveau zu erreichen. Die Belastung muss mit jedem Training hochgefahren werden, die Spieler genaustens auf etwaige Beschwerden beobachtet werden.
Nicht erst der Todesfall von Boris Sadecky beweist, dass auch ursprünglich topfitte Sportler nach einer Corona-Infektion schwere Folgen davontragen können.
Noch nicht flexibel genug
Zudem stehen den Cracks wahrlich harte Wochen bevor, sieht doch der Plan der Liga vor, so weit wie möglich alle verschobenen Begegnungen wieder nachzutragen. Hier muss auch Kritik angebracht werden: Nach dem Ausstieg von Bratislava Capitals entschieden sich die Verantwortlichen der ICE Hockey League bewusst dafür, einen für Zuschauer komplizierten Punkteschnitt einzuführen.
Mit einher ging folgende Regelung: "In Summe müssen Teams mindestens 80 Prozent der angesetzten bzw. geplanten Grunddurchgangsspiele absolviert haben, um in die Playoffs bzw. Pre-Playoffs einziehen zu können. Dadurch kann im äußersten Notfall auch flexibler auf die aktuelle COVID-19-Pandemie im Zusammenspiel mit dem verbleibenden Liga-Terminplan reagiert werden."
Unbedingt flexibel haben die Liga-Bosse bisher nicht darauf reagiert, abgesehen von bis dato 16 verschobenen Spielen - Tendenz steigend - wurde nicht viel Tacheles gesprochen. Doch gerade jetzt sollte auf die neue Regelung zurückgegriffen werden, um den Spielern kein zu großes Risiko auszusetzen und zudem eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden.
Hilft der ÖEHV?
Abhilfe könnte ausgerechnet der ÖEHV schaffen: Zwischen dem 7. und 13. Februar findet ein International Break statt, in dem in Klagenfurt der Österreich Cup mit Spielen gegen Norwegen und Frankreich bestritten werden soll.
Eine plangerechte Durchführung scheint absolut außer Reichweite, der Verband könnte der ICE somit entgegenkommen und auf das Break verzichten. Zudem wäre es unvorteilhaft, Spieler von unzähligen Vereinen an einen Ort zusammenzutrommeln - siehe U20-WM.
Viel Spielraum bleibt der ICE Hockey League schlussendlich nicht: Ende Februar soll der Grunddurchgang abgeschlossen werden, in der ersten März-Woche sind die Pre-Playoff-Spiele geplant, ehe die Playoffs im Zwei- bis Drei-Tages-Takt bis Mitte April gespielt werden sollen.
Mit einer Liga-Unterbrechung würden sich die Verantwortlichen auf der einen Seite wohl ins eigene Fleisch schneiden, auf der anderen Seite wäre die Wahrscheinlichkeit einer weitestgehend plangerechten Ausführung der restlichen Saison weitaus höher, als zum aktuellen Zeitpunkt.