Wo ist der Hals-/Nackenschutz bereits verpflichtend?
Im Profi-Eishockey ist der Hals-/Nackenschutz (noch) nicht weit verbreitet.
Als Vorreiter gilt Schweden, wo der Schutz bereits am 1. Jänner 1996 eingeführt wurde. Wenige Monate zuvor kam Bengt Akerblom in einem Freundschaftsspiel seines Teams Mora IK gegen Brynäs IK ums Leben, nachdem die Kufe eines Gegenspielers die Halsschlagader des 28-Jährigen durchtrennte.
Um weitere tragische Vorfälle zu verhindern, zog Finnland relativ rasch nach und implementierte ebenfalls eine Halsschutz-Tragepflicht vom Profi- bis ins Junioren-Eishockey.
Nach dem Tod von Adam Johnson am 28. Oktober kündigte der britische Eishockey-Verband an, dass ab 1. Jänner 2024 jeder Spieler bei On-Ice-Aktivitäten obligatorisch einen Halsschutz tragen muss. Bis dahin wird dieser "nachdrücklich empfohlen". Alle Infos dazu >>>
Praktisch in der ganzen Eishockey-Welt wird darüber diskutiert, ob der Hals-/Nackenschutz von nun an zur Schutzausrüstung der Cracks gehören soll. Manche Spieler gehen in Eigenregie voran und haben sich bereits mit einem solchen ausgerüstet.
Auch der heimische Verband sowie die win2day ICE Hockey League behandeln das Thema Spielersicherheit mit höchster Priorität.
In Österreich ist das Tragen eines Halsschutzes übrigens bis zur U18 vorgeschrieben.
Welche Arten gibt es?
Varianten gibt es einige, die gängigste ist der mit Kevlar-Futter verstärkte und schnittfeste Rollkragen. Der Stoff wird beispielsweise auch bei Fahrrad-, Motorrad- oder Rennsportkleidung verwendet.
Außerdem ist oftmals auch eine Art Halskrause im Gebrauch, speziell im Nachwuchsbereich. Der Vorteil gerade im Junioren-Alter: Der Schutz lässt sich mittels Klettverschluss leicht anpassen, bietet aber trotzdem die nötige Sicherheit.
"Dieses Thema duldet nach so einer Tragödie keinen Aufschub. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Spieler hat absolut Priorität."
"Es war ein Todesfall zu viel, der jedoch auch bei vielen Spielern und ehemaligen Teamkollegen Johnsons einen Schalter umlegte."
In Nordamerika gründete NHL-Star T.J. Oshie von den Washington Capitals schon 2018 die Marke "Warroad", ein Unternehmen, das für seinen kompromisslosen Fokus auf Spielerleistung, Sicherheit und Erholung bekannt ist.
Als Eigentümer ließ Oshie die schnittfeste Schutzkleidung "TILO" entwickeln, die Spieler speziell an den Unterarmen und der Achillessehne schützen sollte - die mitunter am wenigsten geschützten Bereiche.
Vor rund einem Jahr erfuhr der Forward von einem Vorfall bei einem Nachwuchs-Spiel, bei dem ein Spieler von einer Kufe im Nackenbereich verletzt wurde. Daraufhin veranlasste der US-Routinier, dass die Schutzkleidung mit einem Rollkragen erweitert wird.
Warroad setzte die Forderung um, doch Oshie verzichtete aus vielerlei Gründen darauf, sie zu verwenden. Nach Johnsons Tod ergriff er jedoch sofort die Initiative, bestellte für sich und seine Teamkollegen einen kleinen Vorrat und testete diesen zuletzt auch aus.
Sein Resümee: Der "Turtleneck" behinderte ihn in keinsterweise. Nach dem Spiel am 2. November gegen die New York Islanders betonte Oshie zudem, dass sich der Halsschutz "wirklich angenehm" angefühlt habe.
Es ist also nur eine Frage der Gewöhnung, denn einig sind sich alle Spieler: Schützt mich der Halsschutz, dann verwende ich ihn auch.
Wie stehen die ICE-Teams zum Halsschutz?
LAOLA1 hat sich bei den Teams der win2day ICE Hockey League umgehört und nachgefragt, wie man sich der Thematik gegenüber positioniert.
Dabei wurde schnell klar, dass sämtliche Teams vom fürchterlichen Tod von Adam Johnson tief betroffen sind und etwaige getroffene Maßnahmen zum Schutz der Spieler begrüßen und mittragen würden.
Aus Salzburg heißt es etwa: "Wir unterstützen prinzipiell alles, was der Sicherheit der Spieler auf dem Eis dient und empfehlen den Spielern, entsprechende Schutzkleidung zu tragen. Das betrifft sowohl den Halsschutz als auch Zahnschutz, Shotblocker usw."
Es obliege dem Spieler bislang aber selbst, "welche Maßnahmen (die von der Liga bis dato nicht zwingend vorgeschrieben sind) er zu seinem eigenen Schutz umsetzt", so die Stellungnahme vom amtierenden Meister.
Rekordmeister KAC hofft, dass eine mögliche verpflichtende Einführung eines Halsschutzes "im Zusammenspiel zwischen Liga, Klubs und vor allem auch Spielergewerkschaft geschieht, um zu einer sinnvollen und nachhaltigen Lösung zu gelangen."
Unüberlegte Schnellschüsse, die Awareness suggerieren würden, seien abzulehnen, "dazu ist das Thema zu ernst", wird aus Klagenfurt betont.
Der KAC verweist außerdem auf eine Umfrage der Spielergewerkschaft (EishockeyspielerInnen UNION) im Frühjahr 2023, in der ihre Mitglieder zum Thema Halsschutz befragt wurden. Damals hätte sich eine sehr knappe Mehrheit gegen Bestrebungen ausgesprochen, die in einer verpflichtenden Einführung gemündet wären.
"Wir denken, dass sich dieses Verhältnis nach dem tragischen Tod von Adam Johnson sicherlich gedreht hat, und sind der Meinung, dass eine verpflichtende Einführung auch im Interesse aller Klubs und der Liga sein sollte."
Seitens der Führung der Spielergewerkschaft sei allerdings zurecht ins Treffen geführt worden, dass Grundlage für ein derartiges Ansinnen das Vorhandensein einer tatsächlich effektiven Schutz bietenden Ausrüstung sein müsse, "also einer mit der Unterbekleidung oder dem Oberkörperschutz verbundenen, schnittfesten Krause."
In Klagenfurt wird darüber hinaus festgehalten, "dass sich diese Thematik nicht auf Halsschutzkrausen beschränkt, hinsichtlich Schnittverletzungen sind insbesondere auch die wenig geschützten Innenseiten der Unterarme besonders gefährdete Bereiche."
Daher hofft der Traditionsklub auch hier auf eine Evaluierung, "ob eine Erweiterung der vorgeschriebenen Schutzausrüstung in Richtung einer verpflichtenden Regelung sinnvoll ist."
Beim Lokalrivalen aus Villach wurden bereits die ersten Maßnahmen gesetzt, der VSV stattete seine Spieler schon vergangenen Mittwoch beim Spiel gegen Asiago Hockey mit einem Hals- und Nackenschutz aus.
"Dieses Thema duldet nach so einer Tragödie keinen Aufschub. Die Sicherheit und Gesundheit unserer Spieler hat absolut Priorität," betonte VSV-Geschäftsführer Martin Winkler.
Auch in Graz und Wien wurde nicht lange abgewartet, beide Klubs bestellten für ihre Spieler einen entsprechenden Schutz. Allerdings wird die Verwendung vorerst nur "nachdrücklich empfohlen", heißt es etwa von den Capitals. Zwingen wolle man niemanden dazu, die Verpflichtung wird aber wohl ohnehin von der Liga kommen.
Wohlgemerkt: Sämtliche Kosten werden, wie auch bei allen anderen Equipment-Teilen, von den Klubs getragen.
Und was macht die Liga?
Die hat in bereits in der Vorsaison ein einheitliches "Medical Protocol" in Kraft gesetzt, womit standardisierte Abläufe, beispielsweise nach Auftreten einer potenziellen Gehirnerschütterung, für jeden Klub verpflichtend eingeführt wurden.
Generell werde das Thema Spielersicherheit mit höchster Priorität behandelt, so wurde die Liga-Ärztekommission angeführt von Liga-Ärztin Dr. Christiane Loinig-Velik aufgefordert, sich mit dem Thema "Schutz des Hals- und Nackenbereichs" erneut detailliert zu befassen.
Denn bereits im August wurde eine zweitägige Konferenz mit 15 Mediziner:innen der Teams sowie Dr. Loinig-Velik abgehalten, bei der unter anderem über "schnittfeste Unterbekleidung" ausführlich diskutiert wurde. Infolgedessen wurde mit Liga-Ausrüstungspartner Warrior eine Kooperation für den Schiedsrichterkader vereinbart.
Am vergangenen Wochenende nahm Dr. Loinig-Velik auch an einer kurzfristig einberufenen Besprechung vom IIHF Medical Comittee teil, um weitere Erkenntnisse zu sammeln.
Mit den Ergebnissen der ICE-Ärztekommission werden in den Liga-Gremien und in enger Abstimmung mit dem ÖEHV die nächsten Schritte gesetzt.
Alles andere als eine Verpflichtung zum Tragen eines Halsschutzes - spätestens zu Beginn der nächsten Saison - wäre fatal.
Die Meinung von LAOLA1:
Die Einführung des Hals-/Nackenschutzes für sämtliche Eishockey-Spieler dieser Welt ist spätestens nach Johnsons Tod unerlässlich.
In der Vergangenheit gab es bereits einige solcher Vorfälle nach denen die Schutzvorrichtung hätte eingeführt werden müssen. Wie etwa 1989, als Buffalo-Torhüter Clint Malarchuk nur knapp dem Tod entronnen ist. Auch Florida-Akteur Richard Zednik hatte 2008 großes Glück.
Doch wie von einigen Klubs der win2day ICE Hockey League angemerkt, und auch in Großbritannien angekündigt, sollte nicht nur der Hals-/Nackenbereich, sondern die gesamte Spielerschutzausrüstung neu evaluiert werden.
Der Eishockey-Sport ist schneller als je zuvor, ein Wunder, dass bislang nicht mehr passiert ist. Dadurch wurde das Spieler-Equipment aber wohl als sicher genug eingestuft - zu sicher.
Das war am Ende nicht nur fahrlässig, sondern riss einen talentierten, jungen Mann aus seinem Leben und jenem seiner engsten Freunde und Familie.
Es war ein Todesfall zu viel, der jedoch auch bei vielen Spielern und ehemaligen Teamkollegen Johnsons einen Schalter umlegte. Denn es hätte in der Vergangenheit jeden von ihnen treffen können - nur weil sich manch einer zu eitel war, wie T.J. Oshie selbst zugab.
"Es sieht nicht cool aus, einen Nackenschutz zu tragen", sagte Oshie gegenüber US-Medien. "Aus welchen Gründen auch immer, es ist einfach nicht etwas, das geschmeidig ist und gut aussieht."
Das darf absolut kein Grund sein, sich nicht selbst zu schützen. Und ist ab sofort auch keiner mehr. Niemand will sein Leben auf solch fürchterliche Weise wie Adam Johnson verlieren, bei jenem Sport, den jeder von ihnen liebt und seit dem Kindesalter ausübt.
Die Eishockey-Welt wurde am 28. Oktober 2023 mit der harten Wahrheit konfrontiert, dass ihr Sport ohne jede Zweifel zu den gefährlichsten gehört.
Nun gilt es die entsprechende Reaktion zu zeigen. Ruhe in Frieden, Adam Johnson.