Bettman, der im Gegensatz zu den EBEL-Führungskräften nicht nur ein bloßer Befehlsempfänger der Teams ist, nannte nochmals die Gründe für die Entscheidung der Klubeigentümer:
- Die Teams wollen in der besten Eishockey-Zeit Februar ganz einfach nicht für knapp drei Wochen den Betrieb einstellen und diese Spiele dann in einen gepressten Spielplan zwängen.
- Von den letzten Olympischen Spielen in Sotchi kehrten gleich vier Cracks verletzt zurück, der Ausfall von John Tavares etwa bewog Islanders-GM Garth Snow schon damals zu einer Schimpfkanonade gegen Olympia.
- Die NHL stellt zwar Spieler ab, erhält aber keinerlei Marketingrechte vom IOC als Gegenleistung. So führt Bettman das Beispiel an, dass das Final-Siegestor von Sidney Crosby nicht einmal auf den NHL-Kanälen gezeigt werden durfte.
- Die Eigentümer sind auch den Streit mit dem IOC über die Übernahme der Kosten leid. Hier sollte zwar teilweise die IIHF einspringen, Bettmans Einwand, dass dieses Geld dann für Eishockeyprojekte fehlen würde, klingt jedoch scheinheilig – seit wann kümmert er sich großartig um die Probleme im Welteishockey? Doch die Eigentümer sind es auch leid, wie in Sotchi um Eintrittskarten betteln zu müssen und dann nicht einmal die Gelegenheit zu bekommen, mir den von ihnen bezahlten Spielern sprechen zu können.
Gründe, auf die Bettman nur auf Nachfragen einging:
- Die Spiele in Korea würden in Nordamerika nur zur Morgenstunde zu sehen sein, der Werbeeffekt für die Fans hielte sich aber in Grenzen. Anzunehmen, dass es bei Spielen etwa in Nordamerika keine Diskussionen über die Teilnahme gegeben hätte…
- Die NHL hat im letzten September erstmals den von ihr selbst geschaffenen World Cup ausgetragen. Die Einnahmen davon fließen direkt in die Taschen der Liga und ihrer Teams, ein weiteres Turnier ist daher nicht mehr notwendig oder gar eine Konkurrenz. Noch dazu findet dieses Turnier vor Saisonbeginn statt, beeinflusst daher den Spielbetrieb nicht. Bettmans Vorschlag an das IOC, Eishockey von den Winter- zu den Sommerspielen übersiedeln zu lassen, mag zwar aus diesen Gründen Sinn ergeben, hatte aber keine Chance, realisiert zu werden.
Das Versäumnis der Spielergewerkschaft:
Bettmans Gegenspieler, Donald Fehr, musste als Boss der Spielergewerkschaft kleinlaut zugeben, dass der 2013 ausgehandelte Rahmentarifvertrag das Thema „Olympia“ nicht behandelt. Der CBA davor schloss dagegen dezidiert die NHL-Teilnahme an den Spielen 2006 und 2010 ein. Fehr: "Im Nachhinein war das sicher ein Fehler." Sotchi 2014 war damals auch ohne Schriftform abgemacht, Fehr ging davon aus, dass dies auch für zukünftige Turniere gelten würde. Kein Ruhmesblatt für den Gewerkschaftsboss, der sich nun auf Säbelrasseln beschränken muss: "Die Spieler werden das nicht vergessen."
Doch Fehr braucht Eishockey-Fans gar nicht eigens darauf hinzuweisen, dass wieder einmal ein Lockout in der Luft hängt. Die NHL zeigte sich wegen Olympia durchaus gesprächsbereit – ihre (abgelehnte) Forderung an die Spielergewerkschaft: Ein Verzicht auf eine mögliche Kündigung des derzeit laufenden CBAs im September 2019. Das hätte geheißen, dass sich der Rahmentarifvertrag von 2022 um weitere drei Jahre auf 2025 verlängert hätte.
Derzeit können beide Seiten diesen Vertrag 2019 mit Wirkung 2020 kündigen. In diesem Fall – und ohne eine Einigung auf einen neuen Vertrag - würde die NHL gleich nach dem World Cup im September 2020 wohl wieder einen neuen Lockout ausrufen. Und dass die Spieler den derzeitigen Vertrag kündigen wollen, ist durchaus nicht unmöglich – Stichwort "Escrow": Die Tatsache, dass von Ligaseite Teile des Gehaltes (2016 etwa 15 %) einbehalten werden und bei entsprechend ausbleibenden Einnahmen nicht ausgezahlt werden, stößt vielen Spielern sauer auf und wird sicher ein großer Zankapfel bei den nächsten Verhandlungen.
Umgekehrt wird auch die Liga wieder über einige Punkte des derzeitigen CBAs jammern und diese ändern wollen – jenes CBAs also, den sie gerade zu verlängern versuchte! Die üblichen Gefechte, die Eishockey-Fans nur zu gut kennen, das "Nein" der NHL zu Korea ist da nur ein – wenn auch gewichtiger – Schritt Richtung Lockout…
Tauchen trotzdem NHL-Spieler in Pyeongchang auf?
Alex Ovechkin sagte gleich nach der Verkündung der Absage: "Mir alles gleich, ich spiele trotzdem." Er wird sich dann sicher auf die Aussage von Washington-Eigentümer Ted Leonsis berufen, der schon im Februar sagte: "Wie soll ich den Spielern, die ich als meine Partner sehe, im Wege stehen, wenn sie sich einen Lebenstraum erfüllen wollen?"
Bettman hat solche Einzelaussagen jetzt per Memo abgewürgt, die NHL-Rechtsanwälte werden sicher alle Möglichkeiten ausschöpfen, selbst wenn die Eigentümer als eigentliche Geldgeber ihr Einverständnis geben würden. Was sind also die Möglichkeiten der Liga?
- Eine Entscheidung, dass jeder Spieler, der zu Olympia reist, vom Rest der Saison ausgeschlossen werden würde. Das wäre jedoch wieder ein nicht im CBA festgehaltener Fall, den die Spielergewerkschaft sicher beeinspruchen würde.
- Der CBA gibt Bettman das Recht, die "Integrität des Spiels und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Liga" aufrechtzuerhalten. Um das zu tun, kann er Strafen gegen zuwiderhandelnde Team aussprechen, etwa mit dem Abzug von Draftpicks oder nach oben offenen Geldstrafen. So könnte auch Leonis sein Gesicht bewahren und zu Ovechkin sagen: "Ich hätte dich ja gehen lassen, aber die Liga ist leider dagegen." Hockey Canada und USA Hockey stellen sich sicher nicht gegen die NHL, schließlich fließt sehr viel Geld von dort in die jeweiligen Verbände.
- Sollten aber einige europäische Cracks en masse nach Korea reisen wollen, könnte die NHL dies als Streik auslegen und der wird durch den CBA ausgeschlossen. Das würde dann sogar vor ein ordentliches Gericht kommen und die NHL hätte dabei sicher gute Siegeschancen…
Alles Worst-Case-Szenarien, die wohl so nicht stattfinden werden, trotzdem ist die Kluft zwischen der NHL und ihren Spielern wieder einmal größer geworden. Noch gibt es Spieler wie – wieder – Ovechkin, die das alles als großen Bluff bezeichnen und weiter an eine Olympia-Teilnahme 2018 glauben. Doch wie bei den vielen Lockouts der letzten Jahrzehnte dürfte er damit die Entschiedenheit der Klubeigentümer unter Gary Bettman unterschätzen...
Herbert Prohaska über die Playoff-Chancen "seiner" New York Rangers: