Die letzten Jahre:
Die Ankündigung als NHL-Rekordsieger hat ungefähr soviel Gewicht wie das "Rekordmeister"-Schild bei Rapid – der letzte Stanley-Cup-Titel datiert aus 1993. Seitdem gelang den Canadiens genau ein Einzug ins Finale, nämlich 20/21. Das war die Covid-Saison mit lediglich 56 Saisonspielen mit einer rein-kanadischen Division.
Die Canadiens qualifizierten sich als Vierter gerade noch so für die Playoffs, nach Siegen gegen Toronto, Winnipeg und Vegas unterlagen sie Tampa im Finale mit 1:4. Im Jahr zuvor schafften sie noch das Conference-Finale, davor und danach sahen sie die Playoffs nur vor dem TV.
Der derzeitige Kader:
Für die nächste Saison sind keine großen Änderungen zu erwarten, 20 Spieler haben noch Verträge zumindest bis 2024. Sie stoßen auch am Salary-Ceiling von 83,5 Millionen Dollar an, allerdings werden die 10,5 Millionen von Carey Price wieder auf Long-Term-Injured-Reserve verschwinden.
Hughes muss aber findig agieren, um sein Team zu verstärken – im Rennen um Winnipeg-Center Pierre-Luc Dubois zog er mangels brauchbaren Tauschmaterials den Kürzeren. Hoffnung geben mit Cole Caufield und Juraj Slafkovsky zwei junge Stürmer mit Weltklasse-Upside, Slafkovsky wurde genau vor einem Jahr als Nr. 1 im Draft gezogen.
Beide verletzten sich im Laufe der Saison, sind aber im Camp wieder mit dabei. Caufield unterschrieb gerade einen neuen Acht-Jahres-Deal um gesamt 63 Millionen Dollar.
Von den Stammspielern der letzten Saison ist nur Jonathan Drouin ohne Vertrag für die nächste Saison. Dubois wäre ein Center gewesen, der mit Kapitän Nick Suzuki einen interessanten "1-2-Punch" ergeben hätte. Sucht Hughes einen anderen Pivot oder baut er auf die Entwicklung von Kirby Dach, der beim Draft 2022 von den Blackhawks kam?
Mit Alex Newhook holte der GM von den Colorado Avalanche jedenfalls gerade einen weiteren jungen Angreifer, der diese Rolle einnehmen könnte, agierte also angesichts der am Samstag beginnenden Free Agency bereits proaktiv.
Die Canadiens haben in puncto Spielerentwicklung zuletzt große Fortschritte gemacht, allerdings sind Caufield, Slafkovsky und Filip Mesar (ein kleinwüchsiger Slowake) noch sehr jung. Wenn Caufield (26 Tore in 46 Spielen heuer) und Slafkovsky nächste Saison gesundbleiben, können die Canadiens Richtung Playoffs schauen, ansonsten droht wieder eine Saison, die in einem hohen Pick endet. Der Abstand zu den Playoff-Plätzen betrug immerhin 24 Punkte, das Jahr zuvor wurden sie überhaupt Ligaletzter.
Die Defensive:
Im Gegensatz zu den Arizona Coyotes, die auf Nr. 6 zogen und mit dem Russen Dmitri Simashev einen Reinbacher sehr ähnlichen Defender holten, sind die Canadiens in der Defensive breiter aufgestellt.
Mike Matheson geht in seine zweite Saison, gilt als solider Two-Way-D. Danach folgt aber ein Leistungsabfall – Kaiden Guhle (20) hatte in seiner ersten NHL-Spielzeit so seine Probleme, sollte aber eine Zukunft als Top-4-D haben. Justin Barron (21, aus Colorado geholt) begann die letzte Saison nach einem schwachen Camp in der AHL, bekam den Callup nach Verletzungen erst nach Weihnachten. Er gilt als Rushing-D mit defensiven Schwächen.
Beide sollten sich nächstes Jahr in der NHL festsetzen. Matheson und Joel Edmundson (30), der letzte Saison aber in ein tiefes Leistungsloch fiel, sind an der Spitze der Depth Chart gesetzt. Jordan Harris ist mit 22 Jahren ein weiterer junger D, dazu kommt noch der ebenfalls verletzte Arber Xhekaj (22), der am meisten Physis mitbringt, der auf Waivers geholte Johnathan Kovacevic (25) und David Savard (32) gehören auch zum engeren Kreis, Chris Wideman (33) ist ein erfahrener Depth Guy, der sich in Laval wiederfinden sollte.
Neun Mann also unter Vertrag – je nach Entwicklung von Guhle, Barron und Harris könnte diese Crew nach oben tendieren, topbesetzte Bluelines in der NHL sehen aber anders aus. Ohne einer Verletzungsserie wie in der abgelaufenen Saison (Matheson, Savard, Xhekaj und Guhle fielen länger aus) sollte die Hierarchie aber weniger verwaschen ausfallen.
In Laval stehen mit Logan Mailloux (20) und Mattias Norlinder (23) noch zwei interessante Defender parat. Das größte offensive Upside weist allerdings Lane Hutson auf, der zuletzt mit Team USA im Tampere gegen Österreich antrat. Der kleinwüchsige 19-Jährige soll eines Tages das zuletzt überaus schwache Powerplay orchestrieren, derzeit ist er aber noch an der Boston University zuhause.
Die Zukunft von David Reinbacher:
Unmittelbar natürlich das Development Camp im Juli, wo er Leute wie Slafkovsky oder Mesar kennenlernen wird. Wie alle hohen Picks kann er mit einem baldigen Vertragsangebot rechnen. Nimmt er dieses an, bestimmt Montreal seine nächstjährige Destination, doch an jungen Defendern mangelt es weder in Laval noch bei den Canadiens.
Ein weiteres Jahr in Kloten wäre wohl das Beste für ihn, noch dazu kann er seine Berufsausbildung als Headhunter abschließen. Allerdings musste sein Förderer Jeff Thomlinson aus Krankheitsgründen Gerry Fleming Platz machen, es würde aber überraschen, wenn sich Reinbachers Rolle als Top-2-Defender in Kloten ändern würde.
Mit mehr als zwei Jahren im Erwachsenenbereich sollte Reinbacher dann im Sommer 2024 für die NHL gut gerüstet und sein sich immer noch entwickelnder Körper ebenfalls besser den Anforderungen in Nordamerika gewachsen sein. Als Rechtsschütze würde er jedenfalls eine Lücke im (derzeitigen) Roster füllen.
Kurios: Bei einem Verbleib in Kloten trifft er im Zürcher Stadtderby auf Vinzenz Rohrer – ebenfalls ein Canadiens-Pick (2022), der gerade aus Übersee zurückgekehrt ist. Dazu kommen noch Martin Hohenberger (1995) und Gregor Baumgartner (1997), die ebenfalls von den Canadiens gezogen wurden, dort aber nie einen Vertrag unterschrieben. Montreal, die wohl europäischte Stadt Kanadas, schreckt also vor österreichischen Talenten nicht zurück.