Dasselbe Team, das noch Gegner wie die USA und Tschechien voll gefordert hatte, auch in anderen Spielen nie vom Weg abkam, agierte völlig vogelwild, das 0:2 nach zwei Dritteln war noch schmeichelhaft.
Im letzten Drittel ging aber noch einmal die Post ab, der relativ knappe Rückstand, das Kürzen auf drei Blöcke und eine zunehmend spürbare Müdigkeit der Briten sorgten für ein Happy End.
Drei Routiniers als Erfolgsfaktoren
Auch wenn gerne völlig unreflektiert und uninformiert nach jungen Spielern geschrien wird - am Turnaround zum Turnierende waren jedenfalls drei Routiniers wesentlich beteiligt.
Goalie Bernhard Starkbaum, der wie in einem 3-3-Trainingspiel laufend Gegner alleine auf sich zukommen sah, sich diesen aber heldenhaft stellte. Wie schon öfters geschrieben: Die heurige Version war die beste des Wiener Goalies seit seiner Rückkehr aus Schweden und das mit 36 Jahren!
Thomas Raffl – der Kapitän entsorgte seinen Amtskollegen Mark Richardson hinter dem Tor und war so für den Nissner-Ausgleich hauptverantwortlich. Raffl, trotz seiner Größe nie ein böser Spieler, war danach gleichsam im Blutrausch, rannte an selber Stelle noch einen Referee über den Haufen und stellte mit dem 4:3 in der vorletzten Minute den Sieg endgültig sicher.
Dominique Heinrich – auch wenn er mit seiner geringen Reichweite international oft an seine Grenzen stößt, ist er doch der einzige ÖEHV-Defender, der in den letzten Turnieren überhaupt traf. Verteidiger-Tore können in engen Partien oft Dosenöffner sein, Heinrich steuerte diese regelmäßig bei und sein 2:3 ließ die Briten endgültig erlahmen. Seine Performance ließ eine durchwachsene Saison in Salzburg schnell vergessen, seine Powerplay-Expertise und Skating-Fähigkeiten ist im Team weiter unabkömmlich.
Vor allem Starkbaum und Raffl haben nicht mehr viele Turniere vor sich, alle drei haben allerdings eines gemeinsam: Egal unter welchem Teamchef, sie sagten nie ab, standen auch bei Testspielen oft zur Verfügung und können alleine deshalb als Vorbild im österreichischen Eishockey herhalten.
ÖEHV rückt ausgerufenem Top-13-Ziel nahe
Im letzten Drittel gegen die Briten machte quasi jede Entscheidung, jeder Pass, jede Puckannahme oder -weiterleitung neben Paraden, Toren oder Assists im Schlussdrittel den Unterschied zwischen zwei Szenarien:
Den Abstieg aus den Top-18 (Russland und das zu einer Fahrstuhlnation verkommene Belarus eingerechnet) und einer B-WM gegen Gegner wie Rumänien, Korea und Litauen. Dagegen jetzt den Abschluss der WM mit sieben Punkten, das beste Abschneiden seit 2004 und den elften Platz im Endklassement.
Langzeit-Team- und Sportchef Roger Bader, dessen Verbleib jetzt gesichert sein sollte, träumte immer von einem Heranrücken an die Top-12 der Welt, das wurde jetzt temporär auch erreicht.
In der (wieder um Russland und Belarus bereinigten) Weltrangliste machte der ÖEHV drei Plätze gut, rückte auf Platz 13 vor, überholte dabei Kasachstan und Absteiger Italien.
Del Curto verstärkte das Coaching-Team massiv
Das furiose, aber auch glückliche letzte Drittel, kann vielleicht mit der Shootout-Niederlage gegen Italien in Bratislava gegengerechnet werden. Baders Bilanz als Teamchef trendete damit in den positiven Bereich: Ein Aufstieg, zweimal der Klassenerhalt und ein Abstieg bei zwei abgesagten B-Turnieren.
Das Endresultat heiligt alle Mittel, eines war aber von Haus aus eine gute Idee: Mit dem Engagement von Arno Del Curto wurde ein ziemlich unerfahrener Coaching-Stab mit unendlich viel Routine und Feuer an der Bande angereichert.
Eine starke Persönlichkeit an der Seite soll keineswegs eine Schwächung eines Headcoaches bedeuten. Del Curto, der über die Jahre schon alles hinter der Bande gesehen hat, kam einem Associate Coach viel näher als einem Assistenten. Ob er – oder ein ähnlicher Routinier – auch in Zukunft zur Verfügung steht?
Leistungen sollen keine Eintagsfliegen bleiben
Baders Glaube und Hoffnung auf eine bessere Eishockey-Zukunft wird wegen des äußerst dünnen Spielerkorsetts immer auf wackeligen Beinen stehen.
Doch eine gewisse Grundstruktur aus bestimmten Jahrgängen lässt hoffen, dass Leistungen wie heuer gegen klare Favoriten (auch wenn die Ergebnisse wie gegen Tschechien und die USA nur schwer wiederholbar sind) keine Eintagsfliegen bleiben:
Die Jahrgänge 96/97, die Bader auch bei zwei Junioren-WMs coachte, stellten mit Dominic Hackl, Lukas Haudum, Bernd Wolf, Erik Kirchschläger, Ali Wukovits, Benjamin Nissner und Simeon Schwinger (erst seit kurzem im ÖEHV-Einsatz) fast ein Drittel des Teams, dazu kommen noch Dominic Zwerger, Mario Huber sowie eventuell Stefan Gaffal und Flo Baltram.
Von ihnen legte Nissner (centerte 2015 bei der U20-WM in Wien noch vierte Linie) den größten Leistungsaufschwung hin, gibt dem Team einen großen, verlässlichen Zwei-Weg-Center, der auch auf diesem Niveau treffen kann.
Die Jahrgänge 00/01, mit David Maier, Philipp Wimmer, Kilian Zündel, Paul Huber und Benjamin Baumgartner in Tampere vertreten. Dazu kommen neben Marco Rossi noch Thimo Nickl, Julian Payr, Luis Lindner, eventuell Tim Harnisch, Patrick Antal, Fabian Hochegger, Armin Preiser und Benjamin Lanzinger. Vor allem die Defensive könnte mit diesen Jahrgängen auf Jahre hinaus abgedeckt werden.
Das Jahr 2004, das zwar bei der U18-WM zuletzt abstank, mit den dort abwesenden Marco Kasper (begeisterte die NHL-Scouts bei der WM) und Vinzenz Rohrer zwei außergewöhnliche Stürmertalente aufweist.
Dazu kommen natürlich noch Cracks aus schwächeren Jahrgängen wie etwas Lucas Thaler oder Senna Peeters (beide 2002).
Wer soll Starkbaum und Kickert nachfolgen?
In dieser Auflistung fehlen immer Torhüter – kein Versäumnis, aber auf dieser Position sieht es düster aus. Können Sebastian Wraneschitz, Ali Schmidt, Luca Egger, Leon Sommer oder der beim ÖEHV nie geschätzte Felix Beck hier zu Alternativen werden?
Einen jüngeren Blue-Chip-Prospect sehe ich nirgends am Horizont, aber irgendwer muss sich festkrallen. Außer David Kickert (hat mit 28 noch einige Jahre vor sich, ist aber sogar in Österreich bereits dem Talentealter entwachsen) und dem runderneuerten Starkbaum herrscht Schicht im Goalie-Schacht.
Es drohen wieder WM-Aufgebote mit Backups oder gar AlpsHL-Torhütern.
Kann sich Österreich nächstes Jahr etablieren?
Ein Turnier kann nie nach ein oder zwei Spielen, ein Spiel (wie gegen die Briten) nie nach zwei Drittel, eine Entwicklung eines Teams nie nach ein oder zwei Turnieren beurteilt werden.
Die letzten beiden Jahre fielen wegen Corona bei der Bewertung flach, das Abschneiden von Tampere war eine positive Wiederauferstehung des österreichischen Eishockeys.
Vor allem die Resultate gegen Tschechien und USA sorgten in der Öffentlichkeit für Aufmerksamkeit und Aufbruchstimmung. A-Nationen wie Belarus, Norwegen, Frankreich oder Lettland sind über die Jahre eher schwächer geworden, einzig Kasachstan etablierte sich als A-Gruppen-Nation neu.
Ein schüchterner Blick nach oben ist für Österreich nach dieser WM daher nicht ganz verwegen, es sieht nach Gruppengegnern wie Dänemark, Frankreich und Ungarn aus. Allerdings kann die IIHF hier noch Änderungen vornehmen.