Realitätsverweigerung nach Deutschland-Pleite? Ein "Sager unterhalb der Gürtellinie"
Punktgewinne in solchen Spielen waren aber ohnehin nicht wichtig, essenziell waren sie in den Schlüsselspielen. Ein solches folgte gegen Deutschland, das nach einem 6:4-Krimi gegen Dänemark zwar mit Rückenwind aus dem ersten Sieg gegen Österreich auftrat, gleichzeitig aber müde wirkte und nicht einmal annähernd den Leistungszenit erreichte.
Trotzdem reichte es zu einem 4:2-Sieg, weil das ÖEHV-Team allen voran in der Abwehr unzählige Fehler einstreute und gleichzeitig in der Offensive nicht kaltschnäuzig genug war. Wider Erwarten sprach der Teamchef vom bis dorthin "besten WM-Spiel" seiner Truppe, bei dem er "mit fast allem zufrieden war."
Nicht nur bei den treuen Anhängern, sondern auch bei ORF-Experte Peter Znenahlik sorgte dies für reichlich Kopfschütteln. Der 59-jährige Wiener war nach der bitteren Niederlage emotional geladen und dingte Baders Aussagen als "Realitätsverweigerung" ab.
Vom ÖEHV gab es dafür eine Rüge, auch der Teamchef äußerte sich nach dem geschafften Klassenerhalt dazu und stellte - direkt neben Znenahlik stehend - fest: "Der Sager war unterhalb der Gürtellinie." Der ehemalige Eishockey-Spieler erkannte diese Meinung an, merkte jedoch an, dass er sich kritischere Worte gewünscht hätte.
Diese dürften zumindest in der Kabine gefallen sein, gegen Finnland trat Österreich mit einem völlig anderen Gesicht auf.
Mit (fast) fehlerfreiem und konsequentem Defensivspiel wurde die Partie gegen den Titelverteidiger und Olympiasieger lange offen gehalten, erst eine strittige Entscheidung des Videoschiedsrichters brachte den "Suomi" den 3:1-Sieg ein.
Das neu gewonnene Selbstvertrauen wurde in den letzten Ruhetag mitgenommen, zugleich wurde auf deutsche Schützenhilfe gegen Ungarn gehofft, die es auch gab. So kam es zum alles entscheidenden direkten Duell um den Verbleib in der Top-Division, das Österreich (mit reichlich Zittern) gewann.
Bader fordert Demut und sieht Weiterentwicklung
Somit konnte Bader ein positives WM-Fazit ziehen. Nach dem Frankreich-Spiel habe man "gegen die Top-Nationen sehr viele gute Leistungen gezeigt, die vergleichbar sind mit letztem Jahr. Es ist für Österreich nicht selbstverständlich, dass wir da mittanzen", hält der Teamchef fest.
In seiner Realität sei die WM "ziemlich gut" gewesen, dass es auf ein Entscheidungsspiel gegen Ungarn hinauslaufen würde, hatte der 58-Jährige schon vor Turnierbeginn erwartet. Trotz des insgesamt schlechteren Abschneidens hat Bader eine Entwicklung seit der letzten WM gesehen.
"Die Tatsache, dass wir oben geblieben sind, ist eine Weiterentwicklung", betont er. "Wir hatten die jüngste Verteidigung der WM, es gab wieder sechs Neulinge. Wir sind noch nicht so weit, dass wir sagen können, wir sind vom Kampf um den Klassenerhalt befreit, das wird auch nächstes Jahr so sein", will Bader keine falschen Hoffnungen aufkommen lassen.
Wichtig sei stattdessen, "demütig zu bleiben". Vor der WM habe er weniger in seiner Mannschaft als im Umfeld eine zu hohe Erwartungshaltung wahrgenommen, "weil wir letztes Jahr mit Tschechien und den USA zwei Highlight-Spiele hatten. Dadurch dachten manche, es ist normal, solche Spiele zu haben", sagt er.
Diese seien aber nicht die Realität, sondern die Ausnahmen. "Die Realität ist, dass es immer ein, zwei Gegner gibt, die wir schlagen können, weil sie auf unserem Level sind. Wenn wir gut performen, kann es sein, dass wir gegen einen besseren Gegner Punkte stehlen."
Ohne heimische Einser-Torhüter wird A-WM längerfristig schwierig
Dafür sind viele Faktoren notwendig, unter anderem ein überragender Torhüter. Im Turnier-Verlauf wurden die Leistungen von David Kickert und Bernhard Starkbaum jedoch immer wieder kritisiert, auch Bader selbst bekräftigte vor dem abschließenden WM-Spiel, dass "bis jetzt vieles nicht optimal war".
Das darf angesichts der Tatsache, dass die heimischen Goalies in ihren jeweiligen Klubs nicht absolute Stammtorhüter sind, auch nicht verwundern. Die Probleme sind bekannt und wurden vor der WM erneut mehrfach - und auch an dieser Stelle im Gespräch mit ÖEHV-Tormann Ali Schmidt (Österreichs Torhüter-Problem: "Es ist beängstigend" >>>) durchgekaut.
Bader bricht eine Lanze und konstatiert: "Wir können nicht längerfristig in der A-Gruppe spielen, wenn unsere Torhüter nicht die Nummer eins in der Liga sind." Dabei komme es gar nicht darauf an, in welcher Liga sie spielen. "Es ging nochmal gut, aber wenn sich dieser Zustand nicht ändert, werden wir nicht längerfristig in der A-Gruppe bleiben."
Die Situation ist dramatisch, vor allem weil der 37-jährige Starkbaum wohl in näherer Zukunft abdanken wird und Kickert (29 Jahre) sowie David Madlener (31) ebenfalls nicht jünger werden bzw. in Salzburg und Vorarlberg zumeist nur die Ersatzbank drücken.
Die österreichischen Torhüter "brauchen einfach mehr Vertrauen, mehr Spielpraxis. Es ist eine große Baustelle. Die Deutschen haben zum Beispiel rund zehn Torhüter, die sie bei einer WM einsetzen können. Die sind allesamt Nummer eins in ihrer Liga, davon sind wir weit entfernt", betont Bader.
Die Problematik müsse ehestmöglich angegangen werden, wenn man nicht wolle, dass sich dies "irgendwann einmal negativ auswirkt."
Weg zur WM 2024 ist schon (fast) durchgeplant
Zumindest die kommende A-WM-Teilnahme ist schon abgesichert, der grobe Plan bis Mai 2024 steht ebenfalls bereits fest.
"Die Leute, die mich kennen, wissen, dass dieser Plan nicht nur im Kopf ist, sondern schon im Laptop. Ich habe immer einen Plan A und B, den einen kann ich löschen", lacht Bader, dessen Vertrag nach dem Klassenerhalt 2022 zumindest bis 2024 verlängert wurde.
So ist bereits sicher, dass Österreich im November wieder beim traditionsreichen Deutschland-Cup mitspielen wird, im kommenden Februar gibt es dann wieder ein Vier-Nationen-Turnier mit Frankreich, Norwegen und Dänemark.
Nur der Dezember-Break und die WM-Vorbereitung sind noch offen. Doch dafür ist noch Zeit, erst einmal wird der Division-Verbleib gebührend gefeiert und ein paar Tage abgeschalten. Das haben sich die Mannschaft, der Teamchef und der gesamte Staff redlich verdient.