LAOLA1: Der 13. Februar 1998, die Olympia-Abfahrt von Nagano. Ein Tag, den Sie nie vergessen werden, oder?
Carl Yarbrough: Das kann man so sagen. Ein großartiger Tag, der mir einen großartigen Deal gebracht hat. Damals in Nagano war ich bereits seit 15 Jahren als Ski-Fotograf unterwegs. Aber ich habe nie daran gedacht, berühmt zu werden.
LAOLA1: Jetzt sind Sie es aber, immerhin kennt man das Foto auf der ganzen Welt.
Yarbrough: Ja, vielleicht. Aber darum ist es mir nie gegangen. Weder um mich, noch um ein berühmtes Bild. Ich war in Nagano, weil ich den Sport liebe. Ich war auch nie jemand, der sich um diese Sturz-Fotos gerissen hat. Ich wollte einfach nur gute Action.
LAOLA1: Die haben Sie dann auch bekommen. Wie ist es zu dem Foto gekommen?
Yarbrough: Es sind viele Dinge zusammengekommen. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, Glück, aber natürlich auch das Können. Denn einen Menschen mit 110 km/h durch die Luft fliegend zu fotografieren ist alles andere als einfach.
LAOLA1: Was haben Sie gedacht, als Maier durch die Luft geflogen ist?
Yarbrough: Alles ist so schnell gegangen, ich hatte keine Zeit zum Nachdenken. Der ganze Crash hat vielleicht zwei Sekunden gedauert. Maximal. Ich war so konzentriert, und dann ist er plötzlich durch den Zaun geflogen.
LAOLA1: Und dann?
Yarbrough: Zuerst war da nur Adrenalin. Ist das gerade wirklich passiert? Es war unglaublich. Ich dachte, dass er tot ist. Niemand kann so einen Sturz überleben, kein Mensch. Aber vielleicht ist Hermann Maier kein Mensch.
LAOLA1: Sie waren einer der Ersten bei Maier. Was hat er gesagt, wie war seine Reaktion?
Yarbrough: Der Schnee war hüfthoch, Maier etwa 80 Meter unter mir. Nach dreißig Sekunden ist erst sein Kopf aufgetaucht, dann der Rest. Als ich bei ihm war, habe ich ihn gefragt, ob alles okay ist. Er hat nur genickt, also bin ich wieder zurück. Denn ich war ja dort, um beim Rennen zu fotografieren.
LAOLA1: Es gibt Gerüchte, dass Sie eigentlich gar nicht berechtigt waren, an dieser Stelle zu fotografieren.
Yarbrough: Blödsinn. Es gibt so viele Gerüchte. Ich bin hinter der dritten Reihe Sicherheitszaun gestanden, war, wenn man es genau nimmt, außerhalb des Kurses. Von dort kann man nicht weggeschickt werden, so wie es einigen Fotografen auf der Strecke passiert ist. Aber „Sports Illustrated“ bezahlt mich ja, um Fotos zu bekommen, die sonst niemand hat. Deshalb habe ich mich dort postiert.
LAOLA1: Wann haben Sie eigentlich mitbekommen, welch besonderes Foto da in der Kamera steckt?
Yarbrough: Damals gab es noch keine Digitalkameras. Ich habe das Foto erst nach drei Tagen gesehen, wusste aber, dass es nicht so schlecht geworden ist. Mein Editor hat mich am Abend angerufen und mir gesagt, dass es ein unglaubliches Foto ist.
LAOLA1: Hierzulande kennt das Sturz-Foto jeder, es ist ein Stück Sport-Geschichte. Welchen Wert hat das Foto für Sie?
Yarbrough: Ich bin natürlich stolz darauf. Dieses Bild zu bekommen, das niemand sonst hat. Mir ist auch egal, was die Welt darüber denkt. In den USA zum Beispiel ist das Foto gar nicht so eine große Sache. Aber die Leute fragen mich immer noch, ob das wirklich mein Foto ist. Und das ist schon „Wow“!
LAOLA1: Wie sieht es mit dem finanziellen Wert aus? Können Sie sagen, was das Foto gebracht hat?
Yarbrough: Es wird noch immer verkauft. Bei jeder Weltmeisterschaft, bei Großereignissen, nach Kitzbühel. Ich weiß nicht genau, was es mir gebracht hat, aber ich denke wir reden über einen sechs- oder siebenstelligen Bereich. Wenn ich darüber nachdenke, hat mich Hermann Maier zum Millionär gemacht!
LAOLA1: Wer hält eigentlich die Rechte am Foto, Sie oder „Sports Illustrated“?
Yarbrough: Mein Copyright. Das ist so toll an „Sports Illustrated“, sie schätzen die Arbeit der Fotografen. Sie wollten das Bild nur vor allen anderen verwenden. Diese Abmachung haben die Jungs mit allen Fotografen. Aber die Bildrechte liegen bei mir.
LAOLA1: Haben Sie Hermann Maier nach dem Sturz eigentlich wiedergesehen?
Yarbrough: Ja, ein paar Mal. Wir sind keine Freunde, aber auch für mich war er ein ganz besonderer Sportler. Nicht nur wegen dem Foto. Ich habe ihm erlaubt das Foto für seine Website zu verwenden. For free. Dafür hat er mir ein paar Fotos unterschrieben.
LAOLA1: Wir danken für das Gespräch.
Das Interview führte Stephan Schwabl