Die Frage ist nun: Wer von ihnen schafft es in den sogenannten gezielten Dialog mit der IOC-Auswahlkommission und wird damit zum bevorzugten Kandidaten des Ringe-Zirkels? Im neuen Bewerberverfahren, das nicht wenige als undurchsichtiger als frühere Vergabeprozesse empfinden, ist mit diesem Votum schon fast die Entscheidung über den Spiele-Gastgeber gefallen. So zumindest war es, als das IOC schon 2021 Brisbane zum Wunschkandidaten für die Sommerspiele 2032 erklärte.
Für die Winterspiele 2030 hätte der Auswahlprozess eigentlich längst abgeschlossen sein sollen. Doch dann hagelte es Absagen für das IOC.
Neue dezentrale Konzepte sollen Zukunft sichern
Kanadas Metropole Vancouver bekam keine Garantien für staatliche Gelder. Das japanische Sapporo verzichtete wegen der Turbulenzen um den Korruptionsskandal rund um die Sommerspiele in Tokio auf einen Anlauf. München ist nach den gescheiterten Bewerbungen für 2018 und 2022 die Lust auf Winterspiele vergangen. Die Stadt will sich nur noch für Sommerspiele bewerben.
In der Not verschob das IOC die Vergabe der übernächsten Winter-Ausgabe um ein Jahr und ermutigte wohl einige zweifelnde Anwärter, es doch zu versuchen. Als Letztes gab erst in der Vorwoche das Schweizer Sportparlament grünes Licht für eine Bewerbung. "Winterspiele in der Schweiz wären ein Riesen-Booster für unser Land", sagte Sportministerin Viola Amherd.
In der Tat umfasst das dezentrale Konzept gleich mehrere Regionen im ganzen Land, um ausschließlich bestehende Wettkampfstätten zu nutzen. Da es keine taugliche Eisschnelllaufhalle gibt, könnte das bayerische Inzell hier ins Spiel kommen. Für die Eröffnungsfeier ist Lausanne im Gespräch, für die Schlussfeier dann Bern.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Stockholm und die französische Bewerbung. In Schweden würden neben der Hauptstadt auch Falun, Aare und Östersund Wettbewerbe ausrichten. Die Schlitten-Events würden nach Sigulda in Lettland gehen, Eisschnelllauf nach Norwegen. "Dies wird eine völlig andere Art von Olympischen Spielen sein", sagte Schwedens Sportminister Jakob Forssmed.
Frankreich geht mit einem Verbund der früheren Winter-Gastgeber Chamonix (1924), Grenoble (1968) und Albertville (1992) sowie Nizza ins Rennen. Auch hier ist für die Eisschnelllauf-Wettbewerbe ein Ausweichen ins Ausland möglich.
IOC unter Zeitdruck
Dank dieser nachhaltigen Konzepte würde sich auch eine Mehrheit der zuletzt meist IOC-kritischen Bürger für das Milliarden-Spektakel Winterspiele gewinnen lassen, argumentieren die Interessenten. Referenden hat es bisher aber zu den aktuellen Plänen weder in Schweden noch in Frankreich oder der Schweiz gegeben.
Viel länger warten kann das IOC in der Vergabe-Frage nicht mehr. Bei der Generalversammlung in Mumbai entschied der Dachverband im Oktober, die Gastgeber für die Spiele 2030 und 2034 im kommenden Jahr auf einen Schlag zu benennen. Damit will sich das IOC auch Ruhe verschaffen, um die langfristige Zukunft der Winterspiele zu regeln. "Dies ist ein sehr komplexes Thema, und um es auf die richtige Weise zu adressieren, benötigen wir etwas mehr Zeit", sagte IOC-Chef Bach.
Nur noch zehn Länder sind nach Berechnungen von Forschern von 2040 an überhaupt noch schnee- und eissicher genug für Winter-Olympia. "Wir müssen diesen dramatischen Einfluss des Klimawandels auf die Winterspiele sehr schnell angehen", sagte Bach.
In Betracht gezogen wird sowohl die Veränderung des Wettkampfprogramms wie auch ein Rotationssystem bei den Ausrichtern. Winterspiele könnten dann abwechselnd nur noch in wenigen Orten mit existierenden Wettkampfstätten und garantiert frostigem Wetter stattfinden.